Das Hinterland der Rhonestadt – ich nehme an, da geht es vielen Deutschschweizern ähnlich wie mir – ist terra incognita. Die flache bis sanft hügelige Landschaft westlich von Genf ist die Domäne von Landwirten und Weinbauern. Gegen die Grenze hin aber versteckt sich eine Naturperle: das Vallon de l’Allondon!
Man stösst auf ein gewundenes, etwa sieben Kilometer langes Tal, durch welches das Flüsschen L’Allondon verläuft – im oberen Abschnitt in einem engen Waldtal, in der unteren Hälfte in einer bis zu 250 Meter breiten Talsohle mit weiten Kiesbänken. Die idyllische Flusslandschaft ist das artenreichste Gebiet des Kantons – 20 Orchideenarten gedeihen hier, seltene Wasservögel sind in den Auen heimisch, und in den klaren Wassern lebt gar der seltene Dohlenkrebs, jahrzehntelangen Schutz- und Revitalisierungsprojekten sei Dank.
Obwohl der Urbanisationsdruck gross ist, hat die Gegend unterhalb von Genf nach wie vor grosse Naturwerte zu bieten. Wie schon im Vorfrühling (Sumpf-Gladiole) zeigte sich auch jetzt die botanische Bedeutung dieses Kantons, diesmal bei einem Besuch zweier Trockenwiesen
(die mit HüPa bezeichneten Aufnahmen stellte mir Paul Hürlimann zur Verfügung).
Tourdatum: 21. Juni 2020
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bei der Anfahrt treffe ich an einer Autobahn-Raststätte am Genfersee
auf diese mir bisher unbekannte Art mit grob gezähnten Blättern |
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es handelt sich um den Krähenfuss-Wegerich (Plantago coronopus).
Ursprünglich verbreitet ist er auf Salzwiesen an den Meeresküsten, ist aber durch den Einsatz von Streusalz auch an Autobahnen zu finden. |
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in Genf angekommen erblicke ich in unwirtlichster Umgebung
diese sparrige Komposite. Nach eingehender Untersuchung
stellt sich heraus, dass es der Stinkende Pippau (Crepis foetida) ist. |
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die Art zeichnet sich insbesondere durch ihren
merkwürdigen Geruch nach Bittermandeln aus |
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bald schon komme ich bei dieser Wiese in der Nähe des Allondon an |
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sie ist voller schöner Königskerzen.
Wenn es eine Veranschaulichung
des Begriffs "Vollblüte" gibt, dann hier! |
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die krautigen, kräftigen Stauden sind reich verzweigt |
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diese Art trägt den treffenden Namen
Lampen-Königskerze (Verbascum lychnitis) |
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die Kandelaber weisen Hunderte von Einzelblüten auf! |
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obschon die Blätter an der Unterseite
graubstaubig filzig behaart sind, ist es nicht
die Flocken-Königskerze (Verbascum pulverulentum) |
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doch was ist dies hier für ein Monster,
das ich vorher noch nie gesehen habe? |
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eine eingehende Recherche ergibt, dass es sich
bei dem seltenen Phänomen um eine sog. Fasziation
(Verbänderung) handelt. Mögliche Auslöser dafür sind
Schädigungen durch Viren und phytopathogene Bakterien |
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vermutlich rufen die durch die Schädigungen
verursachten Wuchsstörungen in den Pflanzen
ein genetisches Alternativprogramm auf,
welches dann zu diesen Missbildungen führt |
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schöne Farbtupfer setzt immer wieder.... |
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die Spitzorchis (Anacamptis pyramidalis). |
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ein selten vorkommender Doldenblütler ist
der Feld-Mannstreu (Eryngium campestre).
Die ursprünglich mediterran verbreitete Art
kommt bei uns nur in warmen Lagen vor. |
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Felsen-Mauerpfeffer (Sedum rupestre) |
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der Weinberg-Lauch (Allium vineale)
bringt statt Blüten Brutzwiebelchen hervor,
die bereits austreiben |
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Steinbrech-Felsennelke (Petrorhagia saxifraga) |
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entlang des Allondon geht es weiter zu einer anderen Wiese |
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sie ist reich strukturiert mit Bäumen und Sträuchern |
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zahlreich leuchten einem hier
diese achtstrahligen gelben Sterne entgegen |
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es handelt sich um den
Durchwachsenen Bitterling (Blackstonia perfoliata) |
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auch hier tritt die Spitzorchis auf den Plan |
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die bläulich bereiften Blätter
sind am Grund breit verwachsen |
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der Bitterling ist eine Zierde der Magerwiesen... |
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und eine meiner Lieblingspflanzen! |
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der Bitterling gehört zu den Enziangewächsen (HüPa) |
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hier leuchtet das Glatte Habichtskraut (Hieracium laevigatum)
mit dem Bitterling um die Wette (HüPa) |
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und da geben sich zwei schöne Enziangewächse ein Stelldichein:
Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea) und Bitterling (HüPa) |
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die leuchtenden Blüten des Färber-Ginsters
(Genista tinctoria) wurden früher
zum Gelbfärben von Textilien verwendet |
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auf diese Nutzung bezieht sich auch
das spätlateinische Wort tinctor (Färber),
welches sich im Artnahmen versteckt |
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ziemlich unscheinbar ist die seltene..... |
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Weisse Brunelle (Prunella laciniata). |
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ein Schachbrett nascht von einer
Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea) |
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auch so geht es! |
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in einem Gebüschsaum beobachte ich
dies seltsame Geschöpf: es ist der
Kamm-Wachtelweizen (Melampyrum cristatum) |
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er verstärkt die Sichtbarkeit seiner Blüten mithilfe von roten Hochblättern |
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hier ist auch die mediterran verbreitete
Spargelerbse (Lotus maritimus)
mit ihren langen Schoten zuhause |
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die aus der Blüte des Gemeinen Natterkopfs (Echium vulgare)
herausragende zweispaltige Narbe sieht einer Schlangenzunge
ähnlich und ist für den Namen der Art verantwortlich |
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der Weiden-Alant (Inula salicina) vermehrt sich gerne
über unterirdische Ausläufer und bildet so «Herden»,
was das ähnliche Weidenblättrige Rindsauge nicht macht |
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hebt man den Blick, wird man daran erinnert, dass der Kanton Genf
zu den grössten Weinbauregionen der Schweiz gehört! |
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es ist indes definitiv besser,
den Blick hier gesenkt zu halten,
denn unvermittelt steht man vor .... |
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einer Hummel-Ragwurz!
Die blühen aber spät hier! |
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nach einiger Ueberlegung kommt mir in den Sinn,
dass es eine spätblühende Unterart davon gibt:
die Hohe Hummel-Ragwurz (Ophrys holosericea ssp. elatior)! |
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das erklärt auch den hohen Wuchs |
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mehrere solche fast einen halben Meter hohen Stängel
treffe ich an, alle mit einer ersten offenen Blüte! |
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vor der Heimreise lasse ich den Tag bei einem Zwischenhalt an der Rhone ausklingen |
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diese hohe Staude am Sandstrand erregt meine Neugier |
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wie die Blätter zeigen, ist es die seltene
Wasser-Braunwurz (Scrophularia auriculata) |
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sie fruchtet bereits zahlreich |
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hier mit Wollschweber (Bildmitte) |
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kann man es glauben, dass dies
ein sehr häufiges Rosengewächs ist?
Acker-Frauenmantel (Aphanes arvensis) |
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was sind denn dies für rote Stängel im Unterholz?
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es ist eine Pflanze, die keine Blätter hat... |
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und keine Photosynthese betreibt! |
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es ist der Efeu-Würger (Orobanche hederae), wie sein Opfer verrät |
Vielen Dank! Wieder mal wunderbar, lieber Kilian, was Du uns aus dem l'Allondon in die gute Stube gebracht hast! Das Tausendgüldenkraut hatte ich beinahe erwartet, aber der Durchwachsene Bitterling war für mich eine Unbekannte. Schön, dass es immer wieder Neues zu entdecken gibt, auf Deinem Blog. Auch das Feldmannstreu ist mir, wie ich meine, in der Schweiz noch nie über den Weg gelaufen – oder andersrum.
AntwortenLöschenLiebe Grüsse, Adrian
danke, Adrian, für deinen Kommentar. Der Kanton Genf ist wirklich ein Naturparadies, was man zuerst gar nicht denken würde!
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