Freitag, 10. März 2023

Chalandamarz

Nicht mit Treicheln schellend oder mit Peitschen knallend (wie beim bündnerischen Brauch) hat der Blumenwanderer Anfang März den Winter vertrieben, sondern in stiller Betrachtung all der unscheinbaren Kleinen in der Walliser Felsensteppe.

Das Wallis ist bekannt für seine schweizweit einzigartige Flora. Besonders auf den trockenen, südexponierten Hängen wachsen Arten, die andernorts in der Schweiz kaum vorkommen, zumindest nicht in dieser Zusammensetzung. Sie sind unscheinbar, zugegeben, aber dennoch unserer Bewunderung wert, wie sie allen Widrigkeiten trotzend so früh im Jahr zu Blüte kommen und seit Jahrtausenden überleben, wo sonst nur wenig wächst.

Wie ausgestorben wirkte der Hügel bei Sion, den der Blumenwanderer überquerte, nur ab und an ein Hundebesitzer, der es eilig hatte. Dabei gäbe es auch so früh schon viel zu sehen. Ach, wir leben an den Pflanzen vorbei, sehen gar nicht, was alles da ist. Wir nehmen sie höchstens als Grünzeug wahr, aber dieser Beitrag ruft ein lautes Hoch auf alle Niedrigen: Vivant humiles!


links der noch tief verschneite Grand Chavalard und rechts der dreigipflige Haut de Cry


noch ist alles graubraun in der Felsensteppe



nein, nicht ganz alles, denn da und dort
leuchten die violetten Glocken
der Berg-Anemonen (Pulsatilla montana)
aus dem noch dürren Gras


auch sie zuweilen so klein,
dass man sie fast übersieht, ...
sind sie dennoch eine feine Zierde
der Trockenrasengesellschaft!


doch welch schönes Sträuchlein
blüht denn hier?


von wegen Sträuchlein:
es ist die Kleine Felskresse (Hornungia petraea)!





der Blütenstand dieses Kreuzblütlers
ist eine gedrungene Traube, seine Blütenblätter sind winzig





in der übrigen Schweiz sehr selten geworden,
findet sich der Echte Kerbel (Anthriscus cerefolium)
hier noch recht häufig



die Acker-Schmalwand (Arabidopsis
thaliana) wächst typischerweise
wie hier auf offenen sandigen Böden





noch ist die Walliser Lotwurz (Onosma pseudoarenaria)
völlig unscheinbar






eine Spezialiät des Gebiets ist weiters
der Felsen-Gelbstern (Gagea saxatilis)








nur ganz zerstreut anzutreffen ist
der Frühe Ehrenpreis (Veronica praecox)



schon häufiger dagegen 
das Zwerg-Stiefmütterchen (Viola kitaibeliana)







ganz am Fuss dieser phantastischen Trockenmauer
befindet sich die Färberweid (Isatis tinctoria)




und immer wieder grüsst 
die Berg-Anemone 


 der Dreifinger-Steinbrech (Saxifraga tridactylites) ist
eine einjährige, bis zu 10 cm hohe Art, deren grundständige Blätter meist eingeschnitten sind und an drei Finger erinnern






eine Seltenheit ist der Acker-Gelbstern (Gagea villosa)





und weiter geht's auf dem Botanikerwägli


doch nicht zu schnell,
sonst übersieht man dieses Aschenputtel:
Schildschötchen (Clypeola jonthlaspi)




Blick auf den Mont d'Orge links und auf Valeria und Tourbillon rechts



das Grauflaumige Fingerkraut (Potentilla pusilla)
ist gegenwärtig eine Zierde, doch was sind
das für Ruten dazwischen?
sie gehören zum hier teilweise massenhaft
vorkommenden Schweizer Meerträubchen
(Ephedra helvetica)


erst auf einen Wink hin wurde mir
die Identität dieses formschönen Dings
bewusst, das alles andere als schlaff ist:
 Schlaffe Rauke (Sisymbrium irio)




ein weiterer Gelbblüher ist
das Kelch-Steinkraut (Alyssum alyssoides)







in einem nahen Rebberg gesehen:
links der Glänzende Ehrenpreis (Veronica polita)
und oben die Spurre (Holosteum umbellatum)




schon leuchtet der nahe Mont d'Orge mit seinen Rebbergen und gelben Guérites im Abendlicht

Finger-Lerchensporn (Corydalis solida)


und wieder bietet der Acker-Gelbstern
einen Blickfang


alles andere als ein Blickfang ist indes das hier!
Ob man's glaubt oder nicht:
hier blüht der Nüsslisalat (Valerianella locusta)





der Walliser Beifuss (Artemisia vallesiaca)
treibt gerade frisch aus
ebenso wie das Hügel-Vergissmeinnicht
(Myosotis ramosissima)



erst nach Sonnenuntergang nehme ich Abschied
von dieser einzigartigen Gegend