Samstag, 28. September 2024

Ufervegetation am Neuenburgersee

Die Juragewässerkorrektion vor ca. 150 Jahren ist sicherlich eines der grössten und spannendsten wasserbaulichen Projekte, das in der Schweiz je durchgeführt wurde. Das Grosse Moos, früher ein zusammenhängendes Flachmoor, hat sich dank der Korrektion heute zu einer sehr produktiven Agrarfläche gewandelt und wird gerne auch als Gemüsegarten der Schweiz bezeichnet.
Doch während die Anwohner von den Veränderungen profitierten, ging für Tiere und Pflanzen viel Lebensraum verloren. 

Die Grande Cariçaie ist ein grosses Naturschutzgebiet am Südostufer des Neuenburgersees. Das Ufergelände ist aus der ersten Juragewässerkorrektion hervorgegangen und besteht aus Mooren, feuchten Wäldern und Flachwasserzonen. Ein Viertel der Tier- und Pflanzenarten der Schweiz, darunter zahlreiche seltene und bedrohte Arten, ist hier zu Hause. Als grösstes zusammenhängendes Seeuferfeuchtgebiet der Schweiz erstreckt sich die Grande Cariçaie über einen 40 km langen Streifen entlang des Südostufers des Neuenburgersees.

Eine Kurzfassung zur ornithologischen Vielfalt dieses Gebietes könnte etwa so lauten: «Hier ist einfach alles möglich!». Die meisten in der Schweiz nachgewiesenen Vogelarten haben schon irgendwann mal den Weg hierher gefunden. Aaaaber auch botanisch ist hier so einiges möglich, wie die folgenden Aufnahmen zeigen möchten. Sie entstanden anlässlich von zwei Besuchen Ende Juli und Anfang September. 


das vielgestaltige Ufer des Neuenburgersees stellt einen für die Schweiz
einmaligen und unersetzlichen Lebensraum dar.
Was ist dort draussen Gelbes zu sehen?



bei näherer Betrachtung entpuppt sich das als ein Teppich von Teichenzianen (Nymphoides peltata)
(Foto: Paul Hürlimann)


die schöne Wasserpflanze hat jedoch nichts
mit Enzianen zu tun ....
sondern ist vielmehr mit dem Fieberklee verwandt.



schon tritt uns eine weitere ungewöhnliche Art entgegen:
die Libelle sitzt auf der Meerstrandbinse (Bolboschoenus maritimus aggr.)
(Foto: Paul Hürlimann)



mit Bedacht gebe ich das Aggregat an, denn ohne Samen
 ist nicht zu entscheiden, ob es sich um die Gewöhnliche Meerstrandbinse handelt, oder doch die Flachfrüchtige
oder eine der zwei weiteren möglichen Arten
 

in der Ufervegetation findet sich erstaunlicherweise ab und zu auch
der Igelschlauch (Baldellia ranunculoides), wenn auch nur noch in den letzten Blüten
(Foto: Paul Hürlimann)

diese kaum konkurrenzfähige Wasserpflanze
reagiert empfindlich auf Eutrophisierung und
kommt daher nur noch an wenigen Standorten vor

meist jedoch ist er schon in den Früchten,
die wie bei den Froschlöffelgewächsen üblich,
aus zahlreichen Nüsschen bestehen,
die in köpfchenartigen Sammelfrüchten angeordnet sind





so klein habe ich den Gift-Hahnenfuss
(Ranunculus sceleratus) kaum je gesehen

die Nadel-Sumpfbinse (Eleocharis acicularis) wächst
 vorzugsweise an flachen Ufern von Seen oder Teichen
in kurzlebigen Schlammboden-Pionierfluren




die Stechende Flechtbinse (Schoenoplectus
pungens) sehe ich hier zum ersten Mal
die vom Aussterben bedrohte Art
wächst in der Schweiz nur noch hier
(Foto: Paul Hürlimann)

eine auch nicht oft gesehene Art ist
das Gelbliche Zypergras (Cyperus flavescens)

die Geflügelte Braunwurz (Scrophularia umbrosa)
 findet man immer in der Nähe von Wasser
ein "nice find" ist immer auch
der Wilde Reis (Leersia oryzoides)


hier ist auch der Lebensraum der Zebraspinne (Argiope bruennichi)
(Foto: Paul Hürlimann)



eine weitere Sumpfpflanze ist hier
der sehr seltene Rötliche Wasser-Ehrenpreis 
(Veronica catenata)




einer von nur zwei Vertretern der Araliengewächse,
die bei uns heimisch sind:
der Wassernabel (Hydrocotyle vulgaris).
Der andere ist der Efeu!


und hier mal kein Seltling:
das Sumpf-Helmkraut (Scutellaria galericulata)






ab hier die Aufnahmen, die bei einem Ausflug Anfang September entstanden sind.
Beim Camping von Gampelen angelangt, fürchte ich etwas,
dass sich ein Gewitter über dem Jura zusammenbrauen könnte,
aber ich begebe ich mich dennoch ins Wasser.


um den alten Bootshafen herum wächst
zahlreich der Sumpf-Ziest (Stachys palustris)
Acker-Gänsedistel (Sonchus arvensis)


im Bereich des jetzt geschlossenen Hafens
erstaunlicherweise auch ganz viel...
Schwarzfrüchtiger Zweizahn (Bidens frondosa),
der aber noch nicht blüht.


im Hafen auch sehr viel
Teichrosen (Nuphar lutea) mit grossen Blättern



und nebenan wächst der Erdbeer-Klee (Trifolium fragiferum)
im Rasen




das Erstaunlichste hier ist aber ein Massenbestand
von Froschbiss (Hydrocharis morsus-ranae)
in den letzten Blüten!

die schönen Fruchtstände
des Hopfens (Humulus lupulus)



nicht fehlen in der Kollektion der Ufervegetation
darf der Wolfstrapp (Lycopus europaeus)





schwimmenderweise entdeckt man da und dort im Schilf
 den aufblühenden Nickenden Zweizahn (Bidens cernua),
einen nur ganz zerstreut vorkommmenden
Korbblütler der Ufersaumgesellschaften




wer kennt es nicht? Beim Schwimmen im See schlängelt sich plötzlich
etwas ums Bein. Es kitzelt, piekst, kratzt, entpuppt sich
 in der Regel aber bald als harmlose Wasserpflanze:
Links Grosses Nixenkraut (Najas marina) und oben
Raues Hornblatt (Ceratophyllum demersum)


Durchwachsenes Laichkraut
(Potamogeton perfoliatus)
das Ährige Tausendblatt (Myriophyllum spicatum)
streckte nur grad den obersten Teil aus dem Wasser,
welcher der Blütenstand darstellt


nanu, was wächst denn hier zwischen den Teichrosenblättern hervor?



es ist gleichsam der krönende Abschluss
des Seeschwumms: ein Massenbestand
des Echten Pfeilkrauts (Sagittaria sagittifolia),
was ich so noch nie gesehen habe!


wie beim Echten Pfeilkraut üblich,
sind sowohl der Grund der Perigonblätter
als auch die Staubblätter purpurn gefärbt
(im Gegensatz zum Breitblättrigen Pfeilkraut)

der bei uns sehr seltenen Wasserpflanze gefällt es hier 
offenbar gut. Sie gehört wie der Igelschlauch
zu den Froschlöffelgewächsen und bildet.....





schon Samen, die in zahlreiche igelförmige Köpfe (Sammelfrüchte)
zusammengedrängt sind. Es sind stark abgeflachte, meist geflügelte,
dünne, geschnäbelte Nüsschen, die mehrere Tage schwimmfähig sind.











Mittwoch, 21. August 2024

das Buch der Natur

"Der Himmel verkündet die Herrlichkeit Gottes und das Firmament bezeugt seine wunderbaren Werke. Ein Tag erzählt es dem anderen, und eine Nacht teilt es der anderen mit. Ohne Sprache und ohne Worte, lautlos ist ihre Stimme, doch ihre Botschaft breitet sich aus über die ganze Erde und ihre Worte über die ganze Welt. Die Sonne wohnt am Himmel, wo Gott sie hingestellt hat."  – Psalm 19:1-4

"Um Gott zu entdecken, liest manch einer Bücher. Allerdings gibt es ein fantastisches Buch: Allein schon das Auftreten von etwas Erschaffenem. Schau über dich! Schau unter dich! Achte darauf. Lies es. Gott, den du entdecken möchtest, schrieb dieses Buch ohne Tinte. Stattdessen setzte Gott das vor deine Augen, was Er erschaffen hat. Kannst du nach einer lauteren Stimme fragen? Warum? Himmel und Erde rufen dir zu: „Gott hat mich geschaffen!“  – Augustinus (354-430)

Und schliesslich noch ein Zitat von Luther: "Gott schreibt das Evangelium nicht nur in der Bibel, sondern auf Bäume und Blumen und Wolken und Sterne."  Auf einer Wanderung im Juni vom Col du Marchairuz Richtung Grand Cunay las der Blumenwanderer eifrig im Buch der Natur und lernte eine bunte Frohbotschaft kennen wie die folgenden Bilder zeigen.



gleich zu Beginn fällt eine Pflanze auf,
die trotz ihres Namens auch im Jura
anzutreffen ist: der Alpenrachen (Tozzia alpina)
er ist ein Halbschmarotzer, der über 
eine eigene Assimilation verfügt, jedoch
noch Nährstoffe von einer Wirtspflanze bezieht




da es noch relativ früh ist, befinden sich
einige Arten erst in den Knospen, so links
der Alpen-Milchlattich (Cicerbita alpina) und oben
die Klebrige Kratzdistel (Cirsium erisithales)



geheimnisvoll aus dem Waldesdunkel leuchtet
der Platanenblättrige Hahnenfuss (Ranunculus platanifolius)




immer wieder begleiten uns solche Weidemauern.....


wie auch Schmetterlige: C-Falter (Polygonia c-album).


Strauss-Glockenblume (Campanula thyrsoides)


Leberbalsam (Erinus alpinus)







der Ährige Ehrenpreis (Pseudolysimachion spicatum)
könnte leicht auch als Gartenpflanze durchgehen




auch Orchideen blühen hier,
so das Männertreu (Nigritella rhellicani)
und das Stattliche Knabenkraut 
(Orchis mascula).




wieder ein Alpenländer auf Abwegen:
Alpen-Lein (Linum alpinum)





keine Alpenrosen, sondern der Flaumige Seidelbast (Daphne cneorum).
Er ist sehr verbreitet hier und blüht immer wieder in einer Vielzahl kleiner Sträuchlein


die sonst im Jura auch Fluhröschen genannte Art
hat stark nach Nelken duftende Blüten....
und ist hier als rote Tupfer häufig auf den Matten
zu sehen, sonst in der Schweiz aber sehr selten anzutreffen.


Kugelorchis (Traunsteinera globosa)...

und Kugelblume (Globularia cordifolia)
sind einander nicht näher verwandt.




bei diesem Anblick traue ich meinen Augen nicht


denn was ich sehe, ist ein Massenvorkommen
des Ysopblättrigen Gliedkrauts
(Sideritis hyssopifolia)




die für den Jura ganz besondere Art wird
von den Kühen offenbar nicht gefressen




Echte Mondraute (Botrychium lunaria)



Färber-Ginster (Genista tinctoria)





Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum
aquilegifolium) wieder mit dem Alpenrachen
zu ihren Füssen









nochmals zwei Orchideen-Arten:
Langspornige Handwurz (Gymnadenia conopsea)
und die Hohlzunge (Coeloglossum viride)


das kann nur 
der Mittlere Wegerich (Plantago media)
sein!



die Foto gibt leider die Schönheit dieses Grases
nicht adäquat wider: Mittleres Zittergras (Briza media)



der Gelbe Enzian (Gentiana lutea)
ist hier weit verbreitet
der hier blüht aber merkwürdig


Moment, das ist ja das gefährdete...

Ganzblättrige Greiskraut
(Tephroseris integrifolia)!



der dicht behaarte Korbblütler ist in der Schweiz
auf den westlichsten Jura beschränkt
(diese beiden Fotos von Paul Hürlimann)



das Buch der Bücher ist die Natur, stets offen und einer Lektüre wert.
So nimm denn und lies!