Donnerstag, 17. August 2023

durchs Napfbergland

Der Napf im Emmental, eine mächtige Nagelfluhmasse, ist mit 1406 m ü. M. die höchste Erhebung des Mittellandes. Er hat die Form eines zerfurchten Kegels, der von der Spitze her in alle Richtungen von tiefen Erosionsgräben zerschnitten ist und dadurch ein einzigartiges radiales Entwässerungssystem bildet. Weil das Napfgebiet von den eiszeitlichen Gletschern umflossen wurde, wirkte vor allem die fluviatile Erosion seit dem Pliozän und hat tiefe Kerbtäler ausgewaschen. Weitere Gipfel heissen Farnli-Esel, Höchänzi oder Hengst.

Die Felswände, Rasen auf den Kreten, Tobel, Bach-und Flussbette und insbesondere die verschiedenen, wenig oder nicht genutzten, teilweise fast unzugängliche Urrasen und Molasseaufschlüsse im Bereich der Grate sind als Lebensräume für seltene und gefährdete Pflanzen- und Tierarten wichtig. In diesen subalpin bis alpin anmutenden Habitaten, darunter Trockenwiesen und -weiden von nationaler Bedeutung, hat auch eine Reihe von Alpenpflanzen als Glazialrelikte überdauert, so der Österreicher Bärenklau, eine ostalpine Art, die am Napf den schweizweit einzigen Standort hat und hier isoliert am westlichsten Ort seiner Verbreitung wächst.

Dass der Napf nicht nur eine grandiose Rundum-Aussicht und ein gutes Mittagessen im Berghotel zu bieten hat, stellte der Blumenwanderer auf zwei Touren fest, die seiner speziellen Flora gewidmet waren. Dabei hatte er seine liebe Mühe, den Österreicher Bärenklau vor die Linse zu bekommen, wächst er doch auf fast unzugänglichen, steilen Grasflächen. 


Zuerst die Aufnahmen von Anfang Juli:


sagenumwobene Landschaft der Flühe und Gräben mit Blick hinab ins Änziloch,
wo angeblich der Türst und die Sträggele ihr Unwesen treiben


die Klettendistel (Carduus personata)...
als prächtige Staude!


weniger eindrücklich die Quendelblättrige
Kreuzblume (Polygala serpyllifolia)
und was knsopet da
auch nicht grad wirklich eindrücklich?


es ist sozusagen der Star des Tages, das
Schöne Johanniskraut (Hypericum pulchrum)!
die seltene Art wurde hier im Jahre 1984
von der Emmentaler Botanikerin
Klara Röthlisberger erstmals nachgewiesen

auch nicht gerade alltäglich
 im Emmental ist der....
Graugrüne Gänsefuss (Chenopodium glaucum)
neben einer Jauchegrube.


weiter geht's vorbei an der Stächelegg zum Napf


und vorbei am Ergebnis harter Arbeit
links von Waldameisen, rechts des Menschen


was will denn der Blumenwanderer da wieder sehen
in diesem Grasgewusel neben einem Brunnen?

es ist eine weitere Emmentaler Spezialität, die
einem  gut bestückten Nadelkissen nicht unähnlich ist
und zwar die seltene Borstige Moorbinse (Isolepis setacea)!






den Gegenblättrigen Steinbrech
(Saxifraga oppositifolia) sieht man
im Mittelland sonst nirgends als hier

auch schon verblüht ist
die Dreinervige Nabelmiere (Moehringia trinervia)









und nachfolgend die Aufnahmen von einem Ausflug Mitte August:



die Blüte des Schwalbenwurz-Enzians (Gentiana asclepiadea)
verrät, dass der Sommer langsam seinem Ende zu geht




schon erstaunlich, dass es diesem Neubürger hier
so gut gefällt: Gelbe Gauklerblume (Mimulus luteus)



eine wanderfreudige Ziege informiert sich

auf dem Dach des Emmentals lässt sich zudem gemütlich
speisen und übernachten: Berghotel Napf

Botanisieren braucht zuweilen etwas Mut.
Der Blumenwanderer rät aber ausdrücklich
von einer Nachahmung ab!


am Wegrand kommt auf einmal ein Hinweis,
dass der Österreicher nicht fern ist, aber um ihn
richtig blühen zu sehen, muss man da hinab,
was weniger gemütlich ist.



und hier ist der Gesuchte in Vollblüte,
der Österreicher Bärenklau (Heracleum austriacum).
Auffallend ist, dass die äusseren Blüten stark
vergrössert sind, etwa wie beim Breitsamen.





das ostalpine Florenelement kann am Napf
als Eiszeit-Relikt angesehen werden


in diesen Felsen wachsen auch
das Jura-Leinkraut und die Augenwurz,
zwei für das Mittelland höchst aussergewöhnliche
Arten, doch sind sie nur per Feldstecher zu sehen


schon blüht auch das Heidekraut (Calluna vulgaris)







auch dieser hier ist natürlich anzutreffen:
der Schärlig, um mal ein
urberndeutsches Wort zu nennen


gemeint ist der häufigere Verwandte des Österreichers,
der Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium).
Wer ein Gspüri für Pflanzen hat, merkt den Unterschied.





der Schluss aber gehört dem Schweiz-Österreicher!





Samstag, 5. August 2023

auf den Sanetschpass

Mit einem Höhenunterschied von fast 1800 Metern stellt die Sanetschpass-Route zweifellos einer der anspruchsvollsten Aufstiege dar, die im Wallis zu finden sind. Nach dem Start im Rhonetal durchquert man zunächst die Weinberge der Gemeinde Savièse. Danach führt die Strecke durch die Föhren-, dann die Lärchen- und Fichtenwälder von Conthey und über Alpweiden, schliesslich durch kahles, felsiges Gelände, auch durch einen 800m langen, engen Tunnel, bevor sie im Angesicht der Karrenfelder des Tsanfleurongletschers endet.

Diese Passstrasse bietet nach jeder Kehre neue Überraschungen – steile Felswände, Wasserfälle, verschneite Gipfel – und trumpft mit zahllosen atemberaubenden Landschaften auf. So kommt man nach und nach durch enge und schattigere Schluchten, gesäumt von erfrischend duftenden Wäldern. Nach einigen flacheren Abschnitten wird die Strecke wieder deutlich steiler und ermöglicht einen herrlichen Blick auf das Rhonetal, das bereits weit weg erscheint. Über einige Kehren und vorbei an einem Wasserfall gelangt man allmählich in eine alpinen Wiesen- und Weidenlandschaft.

Nachdem man in etwa einer Stunde sämtliche Höhenstufen durchquert hat und so gewissermassen "von Spanien bis Spitzbergen" gereist ist, geht die Fahrt weiter zum auf ca. 2000 m ü. M. liegenden Stausee. Auf einer Rundwanderung um diesen an der Grenze zum Bernbiet liegenden See begegnete dem Blumenwanderer das "Who is Who" der alpinen Kalkflora. Hier ein Ausschnitt dessen, was er an Blumen - oft im blossen Kalkschutt - bewundern durfte.


bei einem Zwischenhalt am frühen Morgen stellt man fest,
dass die Talebene schon weit weg ist


durch diesen Tunnel muss man nolens volens,
auch wenn es etwas Wagemut braucht
auf dem Pass angelangt, könnte der Kontrast
nicht grösser sein

der Alpenhelm (Bartsia alpina) ist die einzige
mitteleuropäische Pflanzenart der Gattung Bartsia
aus der Familie der Sommerwurzgewächse 



 Carl von Linné benannte diese Gattung
zum Gedenken an seinen Freund, den deutschen
 Kolonialarzt und Naturforscher Johann Bartsch,
der im Alter von 28 Jahren in Südamerika
dem tropischen Klima zum Opfer fiel



nanu, liegt hier oben noch Schnee, in dem das kleine Murmeltier spielt?


nein, es sind Karrenfelder, in denen da und dort
auch solch bunte "Gärtlein" zu sehen sind
Kalk-Polsternelke (Silene acaulis)


Mehlprimel (Primula farinosa)


in einer Quellflur blühen grad
die Gämskresse (Pritzelago alpina) und 
der Stern-Steinbrech (Saxifraga stellaris)


noch nicht blüht hingegen
der Berg-Löwenzahn (Leontodon montanus)


"Kressengärtli"






dieser Baum wird nicht hoch:
Stink-Weide (Salix foetida)




an einem Seelein beim Pass wachsen
zwei Vertreter der Wollgräser:
Scheuchzers Wollgras (Eriophorum scheuchzeri)...
und das Schmalblättrige Wollgras
(Eriophorum angustifolium).


Alpen-Hahnenfuss (Ranunculus alpestris)


Alpen-Wundklee (Anthyllis vulneraria ssp. alpestris)




Alpen-Hornklee (Lotus alpinus)
Alpen-Leinkraut (Linaria alpina)


beim See angelangt, führt der Wanderweg zunächst über die Staumauer


Fuchs’ Knabenkraut (Dactylorhiza fuchsii)


in der Nähe des Stausees erwarten einen
auch prächtige Blumenwiesen




Kugelorchis (Traunsteinera globosa) u.v.a.m.

Glattes Brillenschötchen (Biscutella laevigata)


das Schweizer Labkraut (Galium megalospermum)
kriecht dem Boden entlang




die Silberwurz (Dryas octopetala) gehört zu den Pflanzen, die mit harten klimatischen
Bedingungen gut zu Recht kommen. Sie war während der Eiszeiten im europäischen Raum
so weit verbreitet, dass ein ganzes Zeitalter nach ihr benannt wurde!

ihre verholzenden Zwergsträucher können hundert Jahre alt werden und
leben mit Wurzelpilzen in Symbiose, die sie bei der Wasserversorgung unterstützen


Kriechendes Gipskraut (Gypsophila repens)
Augenwurz (Athamanta cretensis)


die Kriechende Nelkenwurz (Geum reptans).....


und ihre typischen gedrehten Fruchtstände.






Zwei Kalkschutt-Bewohner:
links das Rundblättrige Täschelkraut (Thlaspi rotundifolium),
oben das Mont Cenis-Stiefmütterchen (Viola cenisia)




der Weichhaarige Mannsschild (Androsace pubescens)
ist schon längst verblüht



Alpen-Pestwurz (Petasites paradoxus)
Matten, die glücklich machen!


Alpen-Süßklee (Hedysarum hedysaroides)




die Zwergorchis (Chamorchis alpina)
mit ihren grasartigen Blättern



das Breitblättrige Hornkraut (Cerastium latifolium)
wächst typischerweise auf Kalkunterlage


Säuerling (Oxyria digyna)


der Moschus-Steinbrech (Saxifraga moschata)
bildet schöne Rundpolster




der Sanetsch-See gegen die Berner Seite hin gesehen:
unten sieht man, wie die junge Saane in den See fliesst


Aufsteigendes Läusekraut (Pedicularis ascendens)


Alpen-Lein (Linum alpinum)






die beeindruckenden Kalkfelsen rund um den See



Blaugrüner Steinbrech (Saxifraga caesia)


Alpen-Ehrenpreis (Veronica alpina)







nur schon landschaftlich
ist diese Rundwanderung ein Erlebnis!


Hahnenfuss-Hasenohr
(Bupleurum ranunculoides)



nutzt jede Felsritze:
die Niedliche Glockenblume (Campanula cochleariifolia)




zum Schluss sehe ich noch die halbkugeligen Polster
des Schweizer Mannsschilds (Androsace helvetica).
Um ihn blühend zu sehen, hätte ich aber
mindestens einen Monat früher kommen sollen!