Dienstag, 29. Juni 2021

der Pfynwald oder ein Hauch von Mittelmeer

„Draußen ist ein Tag unerschöpflich in seiner Herrlichkeit, dieses von Hügeln bewohnte Thal, immer giebt es neue Wendungen, Abwandlungen, comme si c’était encore le mouvement de la création qui remuait les aspects changeants. Nun haben wir uns die Wälder entdeckt (Forêt des Finges) voller kleiner Seeen, blauer, grünlicher, fast schwarzer –, welches Land hat soviel Einzelheiten in so großem Zusammenhang; es ist wie der Schlußsatz einer Beethoven-Symphonie.“

Rilke an Nanny Wunderly-Volkart, 15. Juli 1921

Wie macht er das nun wirklich, der Pfynwald? Was ist es, was uns daran so bezaubert? Es war an zwei besonderen Junitagen, als er mir die Antwort gab, aber hier sollen wie immer die Bilder sprechen!
Wie in Südfrankreich wähnt sich, wer den grössten zusammenhängenden Föhrenwald der Alpen durchstreift. Schon als Kind war der Blumenwanderer hier mehrmals in den Ferien und saugte seinen Zauber und das mediterrane Flair in sich ein. 
Wild, poetisch, urtümlich. Wandern ist im Pfynwald eine Reise. Dschungelartige Auenwälder, Sandstrände und Steppen im Wechsel mit malerischen Teichen und blumenreichen Wiesen zeigen, was Biodiversität sein kann: ein Paradies für besondere und seltene Pflanzen!

Kulturell gesehen ist das Gebiet die Grenze zwischen französischsprachigem Unterwallis und deutschsprachigem Oberwallis (der Name Pfyn geht vermutlich auf das lateinische "ad fines" zurück = an den Grenzen gelegen). Gleich mehrere Beiträge liessen sich über dieses starke Stück Wallis machen, doch sollen hier einige Streiflichter genügen. Sie entstanden anlässlich von zwei Besuchen im Juni dieses Jahres.



so stellt man sich den Pfynwald vor: die Rinde in der Krone der Wald-Föhre (Pinus sylvestris)
ist rötlich und erinnert immer ein wenig an Sommer am Mittelmeer







das war vor so vielen Jahren die erste einheimische
Orchideenart, die ich sah: das hier weit verbreitete
Rote Waldvögeli (Cephalanthera rubra)


die hier lernte ich erst viel später kennen:
es ist der Dingel (Limodorum abortivum)
als Parasit zapft er mit seinen Wurzeln
ausgewählte Pilze im Boden an


erstaunlich, wie farbenprächtig 
diese Art blüht....
während ihr Fruchtstand 
völlig unauffällig ist.



der Esparsetten-Tragant (Astragalus onobrychis)
ist eine Charakterart der inneralpinen Felsensteppen,
kommt aber auch im Föhrenwald vor



der kleine Illbach kann bei Bedarf auch ganz anders.
Der Illgraben gilt als das Schulbeispiel für einen gewaltigen
Erosionstrichter und einen riesigen Schwemmkegel. Berühmtheit
verleihen ihm die regelmässigen Murgänge nach starkem Niederschlag.



er wird weiter oben überspannt von der Bhutanbrücke (Bild v. Friedrich-Karl Mohr, 30.7.2020)





ein typischer Walliser ist
der Blasenstrauch (Colutea arborescens)





die Art fruchtet und blüht zugleich. Ihren Namen verdankt
sie den aufgeblasenen, pergamentartigen Hülsen.
Sie sind mit Kohlendioxid gefüllt und
 können samt den darin enthaltenen Samen
durch starke Winde wie Ballone verbreitet werden.



schönes Ensemble aus Wimper-Perlgras
(Melica ciliata) und Kugellauch
(Allium sphaerocephalon)



die leuchtend gelben Blütenköpfe der Färber-Hundskamille
 (Anthemis tinctoria) wurden früher zum Färben
von Wolle und Gebäck verwendet




Steppen-Wolfsmilch (Euphorbia seguieriana)


dieses Nelkengewächs gedeiht nur auf
trockenen, sandigen oder steinigen Böden

es ist die in Mitteleuropa nur im Wallis
vorkommende Buffonie (Bufonia paniculata).
Sie ist konkurrenzschwach und verschwindet
rasch bei dichter werdender Vegetation.



das urtümliche Gepräge des Rhonebettes,
welches stellenweise eine Breite von 300m aufweist


das Pfyndenkmal erinnert an die Schlacht
im Pfynwald von 1799, bei der
Ober-und Unterwalliser aneinandergerieten



einer der Weier im Pfynwald






Braunrote Stendelwurz (Epipactis atrorubens)


Blick auf den eindrücklichen Gorwetschgrat







auch die Walliser Lotwurz (Onosma pseudoarenaria)
ist im Pfynwald an diversen Stellen vertreten



man erkennt sie auch gut an ihren Fruchtständen


eine Spezialität des Pfynwaldes ist
die Kleine Kronwicke (Coronilla minima)
sie hat im Gegensatz zu unseren beiden anderen
Kronwicken nur drei Fiederpaare





ein ganz besonderer Korbblütler ist
das Gefleckte Ferkelkraut (Hypochaeris maculata)



auch abgeblüht ist
die hochwüchsige Art sehenswert
Weisses Breitkölbchen (Platanthera bifolia)



Breitblättrige Stendelwurz
(Epipactis helleborine)


Esparsetten-Tragant (Astragalus onobrychis)


die Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria) gehört 
zu den Hundsgiftgewächsen, die in Europa nur wenige Vertreter haben


wieder grüsst die Kleine Kronwicke (Coronilla minima) am Wegesrand


sie kann mit dem Hufeisenklee verwechselt
werden. Wenn man sie indes genau
anschaut, merkt man den Unterschied.



diese Art zeigt die Beziehungen des Pfynwaldes 
zum Mittelmeergebiet gut, denn ausser in diesem
kommt sie nur noch im mittleren Rhonetal vor




eine weitere Spezialität des Pfynwaldes
ist der Zwerg-Rohrkolben (Typha minima)
die Vorkommen des Zwerg-Rohrkolbens
sind gesamtschweizerisch um über 90%
zurückgegangen  


ursprüngliche Lebensräume dieser Art sind
 periodisch überschwemmte Bereiche in Flussauen
die Art war kleinwüchsiger als ich dachte.
Sie war einst weit verbreitet entlang der Flüsse
der Niederungen, war aber im Wallis ausgestorben
 und erst jüngst wieder angesiedelt worden.





Echter Steinsame
(Lithospermum officinale)
das Borretschgewächs besitzt tatsächlich 
steinharte, weisse Samen,
die man noch im Winter sieht


die Vielfalt und Originalität des Gebiets verdankt sich
unter anderem auch der Steppenlandschaft in der Talebene
zwischen oberem und unterem Pfynwald



hier finden sich z.B. folgende Pflanzen:
links die Walliser Flockenblume (Centaurea valesiaca),
oben der Berg-Gamander (Teucrium montanum)



Felsen-Mauerpfeffer (Sedum rupestre)

solch winzige Sträuchlein finden sich immer wieder:
Steinbrech-Felsennelke (Petrorhagia saxifraga)





was jetzt schon fruchtet...



blühte Ende April so: Walliser Levkoje (Matthiola
valesica), die im Rottensand auch ein Vorkommen hat.




der bekannte Esparsetten-Tragant
doch zu welcher Art gehören diese Ruten?


es handelt sich um die Deutsche
Tamariske (Myricaria germanica).
Die bis zu 2 Meter hohe Pionierpflanze besiedelt
typischerweise Flusskies auf neu gebildeten
Schotterflächen und hat blassrosa Blütchen.

 mit einer kräftigen Pfahlwurzel befestigt sich
die Pflanze im Untergrund und übersteht so
auch Hochwasser unbeschadet. Es gibt nur noch
 wenige Auen in der Schweiz, wo die
Voraussetzungen für die Tamariske günstig sind





Fleischers Weidenröschen (Epilobium fleischeri)


Esparsetten-Tragant (Astagalus onobrychis)


die Naturlandschaft Pfynwald ist, trotz ihrer begrenzten Fläche, durch eine aussergewöhnliche
Vielzahl verschiedener und sehr charakteristischer Biotope gekennzeichnet.
Das Nebeneinander von Trocken- und Feuchtgebieten, von Steppenvegetation und dichtem Föhrenwald,
von mageren Föhren auf steinigen Hügeln und üppiger Vegetation 
der kleinen Waldseen bietet vielen in der Schweiz vom Aussterben
bedrohten Arten ein wichtiges biologisches Rückzugsgebiet.


kurz vor Sonnenuntergang winken
mir nochmals ein paar bereits fruchtende...
Kugeli des Zwerg-Rohrkolbens (Typha minima).
Hab lieben Dank, Pfynwald, für deine Wunder!