Samstag, 27. August 2022

am Lac de Joux

Jemand hat geschrieben: le touriste qui, par le nord, entre à la Vallée de Joux, se dit: "voilà un beau pays". Et s'il est botaniste, il ne manquera pas de s'écrier: "la flore des rives de son lac doit être bien intéressante et variée." Et il ne se trompe pas (S. Aubert). Wie hätte bei solcher Sachlage der Blumenwanderer auf einen Spaziergang entlang der Gestade dieses Sees verzichten können, der in einer Antiklinale des Vallée de Joux im Nordwesten des Kantons Waadt liegt! Er befindet sich auf einer Höhe von 1004 m ü. M. und ist das grösste Gewässer im Juragebirge. 

Weil der See in einem komplett abgeschlossenen Hochtal liegt, in dem sich im Winter bei entsprechender Wetterlage jeweils ein Kaltluftsee ansammelt, friert er auch heute noch in den meisten Wintern völlig zu. Dann ist auf der grossen Fläche Eislaufen möglich. In früheren Zeiten wurde im Winter auf dem zugefrorenen See Eis gewonnen, das im Sommerhalbjahr vor allem nach Frankreich, aber auch nach Deutschland exportiert wurde. Kunden waren hauptsächlich Spitäler, Brauereien und Gasthäuser.

Doch weder die Aussicht auf Schlittschuhlaufen noch diejenige auf Eisgewinnung noch - schwer zu fassen - auf eine schöne Bootsfahrt zogen den Blumenwanderer an seine Ufer, sondern wieder mal, nun ja, man sehe selbst......


auf der Anfahrt bei einem Abstecher nach
Montcherand gesehen: das Efeublättrige
Alpenveilchen (Cyclamen hederifolium)

 

und obwohl es "efeublättrig" heisst,
sind das nicht seine eigenen Blätter,
sondern die des echten Efeus (Hedera helix).
Dieses Zyklamen bildet seine Blätter
erst im Herbst aus.



stupenderweise wächst im Geleiseschotter des
Bahnhofs von Le Lieu ein Jura-Leckerbissen
es ist das Jura-Leinkraut
(Linaria alpina ssp. petraea)


die Art unterscheidet sich vom Alpen-
Leinkraut durch ihren hohen Wuchs
und die lange Oberlippe
auch ein Gelbling trotzt hier der brütenden Hitze:
Klebriges Greiskraut (Senecio viscosus)


auf dem Weg hinab...
zum See.


in einem trockenen Jahr wie diesem hat er einen breiten Strandstreifen


eine weitere Linaria mit violett gestreiften
Kronblättern kommt auf einmal
ins Blickfeld

es handelt sich um das Gestreifte Leinkraut
(Linaria repens), das adventiv an warmen
Stellen auftritt


der Blumenwanderer ist begeistert,
hat er doch diese Art bislang
noch nie gesehen


aber zwischendurch gönnt sich der Unverbesserliche
auch mal einen Blick auf den schönen See



schnell den Blick jedoch wieder
aufs Wesentliche fokussiert ;-)
Jura-Braunwurz (Scrophularia juratensis)



und Blassgelber Schöterich (Erysimum ochroleucum),
zwei Jura-Spezialitäten, wenn auch nur noch fruchtend




ist der Pegelstand niedrig, kann sich an den Ufern eine Pionier-Vegetation entwickeln



Teufelsabbiss (Succisa pratensis)

Oeders Gelbe Segge (Carex viridula)




erstaunlicherweise finden sich am Seeufer auch grosse Bestände
des Berg-Laserkrauts (Laserpitium siler)

See-Flechtbinse (Schoenoplectus lacustris)




auf einmal stockt mir der Atem,
denn nun bin ich auf eine "Rakete" gestossen,
wie der Extrembotaniker Jürgen Feder jetzt sagen würde


 die periodisch überschwemmten Bestände
dieser Rarität liegen meist zwischen
der Mittel- und Niedrigwasserlinie 


es handelt sich um die Niederliegende Rauke
(Sisymbrium supinum), ein unbeständiger Pionier
der offenen und sandigen Kies- und Schotterufer


der stark gefährdete Kreuzblütler
ist in der Schweiz immer nur im 
Vallée de Joux gefunden worden
wegen des durchschnittlich zu hohen See-Pegels ist
die Art mit den Eichenblättlein vom Aussterben bedroht.
Nur in einem trocken Jahr wie diesem
konnten sich wenige Exemplare entfalten.



der Star des Tages,
der so gar nicht den Eindruck einer Rakete macht
(schon eher den eines Duckmäusers) blüht sehr diskret,
fruchtet aber auch schon, wie seine Schoten zeigen

schon eher die "Rakete" mimt
der Tannenwedel (Hippuris vulgaris)



und was wächst hier für ein Gräslein
 zwischen den Tannenwedeln?




es ist nichts Geringeres als die seltene Nadel-Sumpfbinse 
(Eleocharis acicularis)!


Glieder-Binse (Juncus articulatus)

Echte Sumpfkresse (Rorippa palustris)


zwar noch nicht blühend,
aber passend zum Lebensraum,
gedeiht hier auch dieser Korbblütler



der Strahlende Zweizahn (Bidens radiata),
auch er eigentlich eine "Rakete",
kommt in der Schweiz fast nur hier vor




Landform eines Wasser-Hahnenfusses:
wohl der Spreizende Wasserhahnenfuss
(Ranunculus circinatus cf.)



Pfirsichblättriger Knöterich (Polygonum persicaria)





im gleissenden Abendlicht lässt der Blumenwanderer den Tag ausklingen
und schaut zur Dent de Vaulion hinüber, dem Emblem des Vallée de Joux

und ist es zufrieden, dass er auch noch im Spätsommer
eine spannende Blumenwanderung machen konnte,
wenn auch die gefunden Arten von der eher diskreteren Sorte waren










Donnerstag, 18. August 2022

der Feld-Mannstreu....

ist optimal angepasst an trockene Geländepartien in beweidetem Grünland. Hier profitiert er davon, dass das Weidevieh die umgebende Grasnarbe kurz hält, während er selbst dank seiner Dornigkeit verschont bleibt und das volle Sonnenlicht genießen kann. 

Durch das mächtig entwickelte Wurzelsystem (bis mehrere Meter Tiefe) wurde er früher von den Landleuten als schwer zu beseitigendes Unkraut notgedrungen geduldet. Die Fruchtstängel lösen sich bald im Spätsommer, bald erst im Frühjahr vom Wurzelwerk los und werden dann vom Winde als sog. „Laufdisteln" über die Felder gerollt. Heute sieht man den Feld-Mannstreu in der Schweiz äusserst selten, und er ist vollständig geschützt.

Im Folgenden die schönsten Aufnahmen, die anlässlich eines Besuchs der Rheinacher Heide auf den Spuren dieses ehemaligen Unkrauts entstanden.


Heidelandschaft vor den Toren Basels




hier auch vertreten: links der Acker-Wachtelweizen
(Melampyrum arvense) und oben 
die Berg-Aster (Aster amellus) als zwei schöne Funde


zwei weitere Trockenwiesen-Arten 
sind hier zu sehen: der Berg-Gamander
(Teucrium montanum) und....
das Sichelblättrige Hasenohr (Bupleurum
falcatum) wie der Feld-Mannstreu
ebenfalls ein Doldenblütler


direkt am Fussweg fällt der Feld-Mannstreu durch sein distelartiges Aussehen auf,
hier durchwachsen von Wiesen-Flockenblumen (Centaurea jacea)

trotz seines stacheligen, distelartigen Aussehens gehört der Feld-Mannstreu
keineswegs zu den Disteln, sondern zu den Doldenblütlern (Apiaceae)
wie die Karotte oder die Petersilie!


die zahlreichen Blüten stehen in dicht gedrängten Köpfchen, die von harten,
stacheligen, meist auffällig gefärbten Hüllblättern umgeben sind.


der Feld-Mannstreu weist zahlreiche Blütendolden
 auf. Der Blütenstand hat viele Hochblätter,
die aus ihm herausragen

ich war fasziniert von der ästhetischen Qualität
dieser eigentümlichen Art, die auch immer 
wieder Künstler inspiriert zu haben scheint








«Saftarm-trocken und hartlaubig, einer Distel ähnlich»,
so treffend beschreibt Max Moor, ein Pionier der Schweizer
 Pflanzensoziologie, die Erscheinung des Feld-Mannstreus


der Name Mannstreu ist kaum volkstümlich; er dürfte daher kommen,
dass man der Pflanze aphrodisische Wirkung (vgl. Plinius, Hist. nat. XXII, 20) zuschrieb





das Habitat erinnert an eine mediterrane Landschaft


schöner ausgeprägt könnte diese Art nicht sein


der Feld-Mannstreu ist ein sog. Tiefwurzler wie diese eindrückliche Zeichnung zeigt
(Quelle: Wurzelatlas Uni Wageningen)