Freitag, 4. Juni 2021

Was söll dä ganz Blüemli-Seich? Eine Variation.

Im Übrigen darf sich der Blumenwanderer glücklich schätzen, dass ihm obige Frage nicht vom grossen sowjetischen Diktator Stalin gestellt wurde. In einer viel ungemütlicheren Lage befand sich da der bedeutende russische Botaniker Nikolai Wawilow. Als er in Ungnade gefallen war, bestellte ihn Stalin einmal auf 22 Uhr in den Kreml. Als der Dikator ihn schliesslich um Mitternacht in seinem Büro empfing, bot er ihm nicht einmal einen Stuhl an und fragte ihn: "Genosse Wawilow, wenn sie sich noch lange mit hübschen Blümchen und anderen Banalitäten beschäftigen, wer kümmert sich dann um die Ertragssteigerung in der Landwirtschaft?"
Wawilow versuchte sich zu rechtfertigen, indem er (zu Recht!) erklärte, welch ungeheure Arbeit sein Institut derzeit leistet. Die Zigarre in der Hand, durchschritt Stalin den Raum: "Mehr haben sie dazu nicht zu sagen? Dann können sie jetzt gehen."
Es war die letzte Begegnung zwischen den beiden Männern. Der international hochangesehene russischer Botaniker, Genetiker und Forschungsreisende Nikolai Wawilow, der die Theorie von den geographischen Genzentren der Kulturpflanzen begründete, starb am 26. Januar 1943 im Alter von 55 Jahren im Gefängnis von Saratow, wahrscheinlich an Unterernährung.

Trotz aller hochgesteckten erkenntnistheoretischer Ziele und wichtiger Nützlichkeitserwägungen der Botanik wagt es der eher unpraktisch veranlagte Blumenwanderer, hier eine weitere Folge "hübscher Blümchen" aus dem Wallis zu zeigen. Möglicherweise kann aber der bunte Blumenstrauss ein ganz klein wenig zur Beantwortung der Titelfrage beitragen....




angekommen in der Diptam-Allee


einmal im Jahr braucht der Blumenwanderer
dies Erlebnis: Diptam (Dictamnus albus)





der Diptam ist übersät mit kleinen, nach Zimt
oder Zitrone duftenden Drüsen





den Stechenden Igelsamen (Lappula 
squarrosa) sieht man nicht alle Tage
er kommt in Wärme- und Trockengebieten
nur selten und teilweise unbeständig vor





auch der Flockenblumen-Würger (Orobanche elatior)
ist eine Seltenheit



schon von weitem erspähte ich dies schöne Sträuchlein


es handelt sich um...
die Walliser Lotwurz (Onosma pseudoarenaria).



das attraktive Raublattgewächs mag es so richtig warm und trocken


dem Blumenwanderer entgeht auch dieses dürre Zeugs nicht


kein Wunder, ist er doch schon vor über 2 Monaten hier vorbeigekommen
und hat bemerkt, dass da ein grosses Vorkommen
des Schildschötchens (Clypeola jonthlaspi) wächst

die einjährige Art hat ihren Vegetationszyklus bereits 
im Mai vollständig abgeschlossen


in Weinbergen nicht selten anzutreffen...
ist die Schlitzblättrige Schwarzwurzel
(Scorzonera laciniata).



im Wallis oftmals an ruderalen Stellen anzutreffen
ist ein Gewusel von grossen und kleinen Arten.
Links der Dreifinger-Steinbrech (Saxifraga tridactylites)



der Blaue Lattich (Lactuca perennis)
in seinem typischen Habitat


Klatsch-Mohn (Papaver rhoeas)





Gamander-Würger (Orobanche teucrii)



Schneckenklee-Monokultur (Medicago minima)




so schön freigestellt hat man den
Ohnsporn (Aceras anthropophorum) selten



Feld-Stiefmütterchen (Viola tricolor)




auf einmal stehe ich vor solchen Ruten
die erste Blüte verrät es:
es ist der Dingel (Limodorum abortivum)

diese Trockenwiese ist voller Orchideen,
und wenn man genau hinsieht,
fallen darin eingestreut... 



diese hellen Stängeli mit den winzigen Blüten auf:
Piemonteser Kreuzlabkraut (Cruciata pedemontana)





das Kleine Knabenkraut (Orchis morio)
kann auch ganz in Weiss
genau wie die Astlose Graslilie
(Anthericum liliago)



zur Freude der Insekten blüht hier
der trockenheitsliebende Bruder 
unseres Moorgeissbarts (Mädesüss)

es ist der selten anzutreffende
Knollige Geissbart (Filipendula vulgaris)



die Kartäuser-Nelke (Dianthus carthusianorum)
erhält Besuch vom Kardinal (Argynnis pandora)
Natur und Technik in Koexistenz:
Glattes Zackenschötchen (Bunias orientalis)





ein toller Anblick bietet die drüsig behaarte
Rundblättrige Hauhechel (Ononis rotundifolia),
die zugleich blüht und fruchtet



nötigt mir immer Respekt ab:
die Spinnweb-Hauswurz (Sempervivum arachnoideum) 
setzt zur Blüte an, wo andere Pflanzen geröstet würden!



diese phänomenale Kerze voller Knospen
liess mich vorerst ratlos zurück
erst später schwante mir, dass dies ja die
Aehrige Glockenblume ist (Campanula spicata)



nicht selten trifft man im Wallis
die Erdkastanie (Bunium bulbocastanum) im Massenbestand an.
Die auch als Knollenkümmel bezeichnete Art trug früher
zur Ernährung der Landbevölkerung bei

Samtiger Haller-Spitzkiel (Oxytropis halleri ssp. velutina)


Gemeine Kugelblume (Globularia bisnagarica)
am Ende des Tages sieht der 
Sand-Mohn (Papaver argemone)
wie geschmort aus



die Sand-Esparsette (Onobrychis arenaria) mit ihren
blassrosa Blüten ist nicht zu verwechseln mit der
viel häufigeren Saat-Esparsette


das phänomenale Wurzelwerk der Sand-Esparsette
reicht bis zu 2 Meter in die Tiefe
(Quelle: Wurzelatlas mitteleuropäischer Grünlandpflanzen Band 2/1)


wer würde glauben, dass dies eine
"Nelke" in Vollblüte ist?
Kahles Bruchkraut (Herniaria glabra)


der Zottige Spitzkiel (Oxytropis pilosa)
ist eine echte Steppenpflanze






in berauschendem Blau strahlte mir
der Grosse Ehrenpreis (Veronica teucrium) entgegen


dieses Aschenputtel traf ich mehr als einmal
am Strassen-bzw. Wegrand an
es ist bedeutend weniger auffällig,
und doch ein Blaublüter!


die Nahaufnahme offenbart es: es ist das Niederliegende Scharfkraut
(Asperugo procumbens), ein im Wallis gar nicht so seltenes Raublattgewächs





Stängelloser Tragant (Astragalus excapus)




Brandorchis (Orchis ustulata)

ein bizarres Kunstwerk stellt der Blütenstand
der Eselsdistel (Onopordum acanthium) dar






einfach so am Strassenrand angetroffen:
Helm-Knabenkraut (Orchis militaris)







in einem Rebberg hingegen wachsen:
die Knollige Platterbse (Lathyrus tuberosus)...


und das Rundblättrige Hasenohr
(Bupleurum rotundifolium), beide
sehr selten gewordene Ackerbegleiter.



am Rande des Aussterbens ist aber leider
die Geschlossene Strohblume (Xeranthemum inapertum),
doch ein wenig mehr als hier wird sie sich schon noch öffnen




auf Wiedersehen phantastisches Wallis ...





und Dank heigisch für all die wertvollen Naturerlebnisse!!!








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