Dienstag, 6. August 2019

das Schilthorn

Der Blumenwanderer wollte diesen Sommer mal die obere alpine Stufe besuchen und fand beim Schilthorn ein reiches Betätigungsfeld, nicht zwar als Inferno-Triathlet oder James Bond-Fan,
wohl aber als Liebhaber unserer hochalpinen Flora, die den Turnschuhalpinisten dort oben normalerweise verborgen bleibt.

Typisch für das Gebiet ist die Kalkflora der Nordalpen, die aber stellenweise bereits Elemente der kristallinen Zentralalpen enthält. Dies, weil im Gebiet nicht mehr ausschliesslich Kalkgestein
vorherrscht, sondern vereinzelt auch tonhaltiges, silikatreiches Gestein an die Oberfläche kommt. Die kristalline Flora ist eher weniger artenreich als die Kalkflora, weil wohl in den Eiszeiten mehr Arten ausgestorben sind, da sie vor den Eismassen nicht fliehen konnten. Dies war bei den Kalkarten in den Alpen-Randgebieten weniger der Fall, so dass sich dort diverse typische Arten entwickelt haben und sich auch halten oder nach den Eiszeiten wieder einwandern konnten.

Das eigentliche Hauptziel dieser Exkursion Ende Juli war ein Juwel der Berner Alpenflora, die Mont Cenis-Glockenblume, die ich endlich mal in meinem Heimatkanton sehen wollte! Denn diese Hochgebirgsart (wie das Veilchen mit demselben Berg im Namen) ist nicht nur auf den französischen Mont Cenis beschränkt, sondern hat eine insgesamt westalpine Verbreitung. Dass ich nicht nur diese spezielle Art fand, sondern auch quasi eine Parade der hochalpinen Flora in Vollblüte abschreiten konnte, hat mich mit grosser Dankbarkeit erfüllt!



die Wanderung beginnt bei der Zwischenstation Birg, von wo aus dieses Panorama aufgenommen ist


während der Fahrt von Mürren nach Birg taucht man plötzlich
aus den Wolken auf ins gleissende Sonnenlicht des Bergsommers!

die berühmten Eisriesen der Berner Hochalpen Eiger, Mönch und Jungfrau.
Was will man mehr als auch im Sommer ein Nebelmeer!
bald drängen die Wolken nach oben.
Dort in der Ferne ist mein Ziel, das Schilthorn, zu sehen.
Darunter das Grauseeli als Zwischenetappe.



bald schon tauchen die ersten Ueberlebenskünstler auf.
Alpen-Gänsekresse (Arabis alpina)




lautlos gleitet eine Gondel voller Touristen über mir vorbei und zeigt mir,
dass es einfachere Wege gäbe, um aufs Schilthorn zu kommen


doch werde ich meinen Vorsatz nicht bereuen,
per pedes dort hinauf zu gelangen!

Schweizer Labkraut (Galium megalospermum)

Alpen-Wundklee (Anthyllis vulneraria ssp. alpestris)


ist wie vieles andere ein typischer Kalkzeiger.


der Alpen-Hahnenfuss (Ranunculus alpestris).....


überall siht man die Farbtupfer der Kalk-Polsternelke
(Silene acaulis). Leider sind die bunten Schmetterlinge
darauf längst fort, wenn ich mit der Kamera anrücke.

solche Nelkenpolster können sehr alt werden, bieten mehr
Wärme und können Feuchtigkeit speichern, was im
felsigen, insbesondere kalkhaltigen Gelände vorteilhaft ist

ein weiterer alpiner Spezialist aus der Familie der Nelkengewächse ist
die Zwerg-Miere (Minuartia sedoides)

die Farben in der Höhe sind extrem grell:
Alpen-Leinkraut (Linaria alpina)

im feuchten Felsschutt ist der Säuerling (Oxyria digyna) anzutreffen

 mich freut, dass der Gegenblättrige Steinbrech (Saxifraga oppositifolia) noch blüht!




der schöne Mannschild-Steinbrech (Saxifraga androsacea)
weiss offenbar nicht so recht, in welche Familie er gehört 



in tieferen Lagen längst verblüht, leuchtet mir hier oben
das Immergrüne Felsenblümchen (Draba aizoides)
mit seinem Gelb entgegen


die Flechte im Vordergrund trägt den einprägsamen
Namen Landkartenflechte (Rhizocarpon geographicum)


die Kriechende Nelkenwurz (Geum reptans), hier fruchtend,
heisst aus leicht ersichtlichen Gründen auch Petersbart




Flachblättriger Steinbrech (Saxifraga muscoides)


Zwerg-Liebstock (Ligusticum mutellinoides)
mit seinen zerschlitzten Hüllblättern





Aufrechtes Acker-Hornkraut (Cerastium arvense ssp. strictum)

schönes Mätteli mit Alpen-Hahnenfuss (Ranunculus alpestris)

ebenfalls typisch für das alpine Gelände sind Kalkschuttfluren, die je nach
Ausprägung gröberen oder feineren Felsschutt aufweisen, der sich je nach Hanglage
und Schuttakkumulation mehr oder weniger bewegt. Auch in diesem Lebensraum
haben sich einige Spezialisten angesiedelt, z.B. die Grossköpfige Gämswurz (Doronicum grandiflorum)


gegen Mittag steigen die Wolken aber schon wirklich hoch

Alpen-Kratzdistel (Cirsium spinosissimum) vor dem Grauseeli

Bach-Steinbrech (Saxifraga aizoides) an einer wasserüberrieselten Felswand

Frühlings-Miere (Minuartia verna)
vor dem Grauseeli

Alpen-Vergissmeinnicht (Myosotis alpestris)





Moschus-Steinbrech (Saxifraga exarata ssp. moschata)


immer mal wieder leuchtet der bildschöne Alpenlein
aus dem ansonsten monotonen Felsschutt

er ist ein typischer Vertreter der "Schuttüberkriecher",
da die mit einem unterirdischen Rhizom tief verankerte
Pflanze den Schutt überkriechen kann

der Braun-Klee (Trifolium badium) tritt stellenweise massenhaft auf

Trauben-Steinbrech (Saxifraga paniculata)

auch so hoch oben finden Schafe noch ihr Gräslein





Scheuchzers Glockenblume (Campanula scheuchzeri)

so schön sieht man die Gämskresse (Pritzelago alpina) selten

der Schutt-Ueberkriecher
Rundblättriges Täschelkraut (Thlaspi rotundifolium)


in diesem Lebensraum können nur noch Spezialisten überleben,
zum Beispiel indem sie über den Schutt kriechen.
Hier sieht man vom Petersbart noch knapp die Blütenblätter!





eine weitere Strategie, um im Hochgebirge zu überleben,
 ist das Wachsen in Polstern. Hier einige Beispiele: 
links der Alpenmannsschild (Androsace alpina, durchwachsen 
von Gämskresse) und oben die Frühlings-Miere (Minuartia verna),
bei der das Rhizom links freigelegt ist, womit sie sich verankert.






zwei weitere Beispiele:
links der Mannsschild-Steinbrech (Saxifraga androsacea)
und oben Séguiers Steinbrech (Saxifraga seguieri)







Polster quasi im Kleinformat bilden die Mannsschschilde....

so z.B. der Alpen-Mannsschild (Androsace alpina), ....

welcher auch weiss blühen kann.

hier nochmals der gelbblühende.....

Séguiers Steinbrech (Saxifraga seguieri).



und weil er so schön ist ....

auch nochmals der Alpen-Mannsschild (Androsace alpina),
der zu den Primelgewächsen gehört.


der ähnliche Moschus-Steinbrech (Saxifraga exarata ssp. moschata),
der aber dreigeteilte Blättchen hat





das Breitblättrige Hornkraut (Cerastium latifolium)
zeigt hier auch einen polsterartigen Wuchs


hier hatte einst ein Lord seine 23-jährige Frau durch Blitzschlag verloren!



Rundblättriger Enzian (Gentiana orbicularis cf.)

hier endlich steht die Kriechende Nelkenwurz (Geum reptans)
 noch in Vollblüte!


wenn man in der hochalpinen Region unterwegs ist,
braucht es nicht viele fotografische Fähigkeiten, 

denn überall bieten sich dankbare Motive an, so z.B. hier
mit der Alpenmargerite (Leucanthemopsis alpina)...

oder dem Rundblättrigen Täschelkraut (Thlaspi rotundifolium).
Noch nie sah ich soviel Thlaspi auf einer Wanderung!

ein Blick zurück zeigt über dem Grauseeli die Bergstation Birg
hoch über dem Lauterbrunnental


bald ist es geschafft. Letzte Schneereste stellen sich ein.

beim Gletscher-Hahnenfuss (Ranunculus glacialis) wechselt
die Blütenfarbe von zuerst weiß über rosa bis dunkelrot!


welch eine Ueberraschung: auf einmal kommen
die ersten Mont Cenis-Glockenblumen
(Campanula cenisia) in Sicht!

sie wachsen auf Kalkschiefer, auf Felsbändern,
Felsschutt und Moränen in der alpinen Stufe
in Höhenlagen bis 3600 Meter

nun ist der Gipfel mit dem berühmten Drehrestaurant zum Greifen nahe!

immer mal wieder schauen einzelne Mont Cenis-Glockenblumen aus den Felsen hervor

Gletscher-Hahnenfuss (Ranunculus glacialis)

dieser Farbtupfer entpuppt sich nicht als Polsternelke,
sondern als Alpen-Mannsschild (Androsace alpina)




Breitblättriges Hornkraut (Cerastium latifolium)

auch hier oben blüht der Gegenblättrige
Steinbrech (Saxifraga oppositifolia) noch


die kobaltblauen Mont Cenis-Glockenblumen haben
im Vergleich zu den winzigen Blättchen geradezu riesige Blüten


nur ein paar Katzensprünge unterhalb des Gipfels....

blüht diese schöne Art unbeachtet von den meisten Touristen.





die lustigen Haarschöpfe des Petersbarts (Geum reptans)

noch ein letzes Mal ein paar
Mont Cenis-Glockenblumen ...


dann ist es geschafft!

rechts die Schwalmere, wo die Mont Cenis-Glockenblume auch vorkommt.
Sie und der Niesen links rauchen wie Vulkane! Dazwischen sieht man auch den Thunersee.



nachdem ich Breithorn, Tschingelhorn und Gspaltenhorn
inklusive Bütlasse halb in den Wolken gebührend
bewundert habe, ...

lasse ich den Gipfel bald auch schon hinter mir und wandere
 auf einsamem Grat Richtung Sattel


Breitblättriges Hornkraut (Cerastium latifolium)

Blattloser Ehrenpreis (Veronica aphylla)

zwischen Erde, Himmel und Wolken führt der exponierte Wanderweg über den Grat

hier vermögen nur noch wenige Arten zu überleben:
Einköpfiges Berufkraut (Erigeron uniflorus)

und wieder ein Teppich von Blattlosem Ehrenpreis (Veronica aphylla)


Flachblättriger Steinbrech (Saxifraga muscoides cf.)

Moos-Steinbrech (Saxifraga bryoides)


unglaublich, wie sich die Steinbreche auch an
unwirtlichsten und exponiertesten Orten behaupten können!





die Aehrige Edelraute (Artemisia genipi)
steht gerade in Vollblüte

auch hier gedeiht der Alpen-Mannsschild
(Androsace alpina)


die Pflanzen werden immer seltener



immerhin schafft es hier noch ein weiterer
Spezialist zu überleben

es ist der Schweizer Mannschild (Androsace helvetica).
Wie schön muss das ausgesehen haben,
als er voller weisser Blütchen war!



Flachblättriger Steinbrech (Saxifraga muscoides)




der Schluss gehört dem Star des Tages,
der Mont Cenis-Glockenblume,  ....


die auch an den exponiertesten Stellen und
in den engsten Ritzen noch ihr Auskommen findet.





2 Kommentare:

  1. Lieber Blumenwanderer,

    Vielen Dank dass du durch deinen Blogbeitrag, andere naturinteressierten Menschen, die Möglichkeit gibst die alpine Flora zu bewundern.
    Dieser Bericht ist dir wunderbar gelungen.
    Da du auch andere Sprachen verstehst sage ich noch:
    Grazie mille + Merci beaucoup

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