Sonntag, 5. Februar 2023

Blumen im Winterglanz

Um die Christrose rankt sich ein christlicher Mythos. So kann nachgelesen werden, dass an Weihnachten ein armer Hirtenjunge auf dem Weg nach Bethlehem war. Da er kein Geschenk bei sich trug, das er dem Jesuskind überbringen konnte und er in der kalten Jahreszeit keine Blumen am Wegesrand fand, weinte er bitterlich. Als seine Tränen indes auf die trockene Erde fielen, geschah das Wunder: es entwickelten sich aus ihnen Blüten, so schön wie Rosen. Überglücklich brachte der Hirtenjunge die «Christ-Rosen» als Geschenk dem Jesuskind.

Viele haben die Christrose besungen; auch Johannes Trojan (1837-1915) bedachte sie mit einem Gedicht, das mir gefällt:

In der schweigenden Welt,
Die der Winter umfangen hält,
Hebt sie einsam ihr weißes Haupt;
Selber geht sie dahin und schwindet
Eh’ der Lenz kommt und sie findet,
Aber sie hat ihn doch verkündet,
Als noch keiner an ihn geglaubt.

Blütenwanderungen während der Wintermonate sind in unserem Land kaum möglich. Doch das Tessin bietet in seinen Wäldern ein einzigartiges Schauspiel: Die Christrose, eine Ausnahmeerscheinung, die bereits jetzt mit ihren Blüten zur Bestäubung lädt! Daneben auch ein paar wenige weitere Arten, die jetzt im Winterglanz am Monte Caslano erstrahlen.


verhangen und kalt präsentiert sich bei einem Zwischenhalt die Nordseite des Gotthards


wie in einer anderen Welt fühlt man sich indes kurze Zeit später auf der Südseite der Alpen.
Das Wetter ist frühlingshaft und man fragt sich,
ob das nun noch Winter oder schon ein Hauch von Vorfrühling ist.



die ersehnten Christrosen (Helleborus niger) wirken
fast surreal im ansonsten graubraunen Winterwald
sie stehen gruppenweise in der Bluescht
und bringen Licht in den düstern Wald


die zu den Hahnenfussgewächsen gehörende Art...

blüht hier erst gerade auf.
Das lateinische Art-Epitheton "niger" bezieht sich
auf das schwarze Rhizom dieser Pflanzenart.


diese Art gibt es in den Wintermonaten in jedem Blumengeschäft zu kaufen.
Sie ist eine häufige Gartenzierpflanze, die gerne zur Winterzeit für Töpfe
und Grabschmuck als Allerweltspflanze verwendet wird.
Wer sich aber aufmacht, die Wildform an ihrem natürlichen Lebensraum zu suchen,
wird ihrem eigenem Zauber erliegen. 


und weiter geht es auf dem Weg.
Während des Aufstiegs kommt man
fast schon ins Schwitzen



an die verwilderten Tessinerpalmen
(Trachycarpus fortunei)
muss man sich erst noch gewöhnen.



die paar Farbtupfer am Wegesrand erfreuen den 
Blumenwanderer: links Leberblüemli (Hepatica nobilis)
und oben Stängellose Schlüsselblume (Primula acaulis)


das Kalk-Blaugras (Sesleria caerulea)
blüht auch schon


ansonsten wirkt alles noch kahl




wirklich alles? Nein! Unglaublicherweise blühen auch
bereits das Schmalblütige Graue Milchkraut (Leontodon
incanus ssp. tenuiflorus) und einige Veilchen (Viola spec.)


jede Blume ist im Winter...
ein Augenschmaus für den Blumenwanderer.



wieder stutze ich: eine blühende Flockenblume
(Centaurea triumfettii) und auch schon die ersten
Weissen Fingerkräutlein (Potentilla alba)?


Turm-Gänsekresse (Arabis turrita)





die weiße oder rötliche Blütenhülle (das was wir bei der Christrose als Blüte wahrnehmen),
 setzt sich eigentlich aus fünf eiförmigen Kelchblättern zusammen,
die zu einem kronblattartigen Schauapparat umgestaltet wurden


 die Blütenhüllblätter sind hier während des Abblühens durch Anthocyane
rötlich überlaufen und bleiben lange erhalten. Der Standort ist
insofern aussergewöhnlich, als die Art hier auf einer Trockenwiese blüht!


der höchste Punkt der Wanderung ist erreicht:
Rundblick vom Sassalto gegen Norden





auf dem Rückweg angetroffen: 
die Grüne Nieswurz (Helleborus viridis)
ist auch schon da!


der Schluss aber gehört
der Schönheitskönigin des Tages
mit ihren zahlreichen goldenen Staubfäden...
der Christ-Schnee-Weihnachts-Winter-
und Wunderrose!








Freitag, 7. Oktober 2022

der grösste Kanton der Welt....

ist das Wallis, das sei klargestellt! Das merkt der Blumenwanderer immer wieder, und so zieht es ihn halt immer aufs Neue in dieses Wallis, das verdeutscht ganz einfach "das Tal" bedeutet. Doch weshalb ist das eigentlich so? Begleitet vom Gesang der Nachtigallen und vom Zirpen der Singzikaden hörte er im Sommer leise säuselnd die Antwort des Tales. Doch kann sie hier nicht verraten werden.

Auf einer sachlicheren Ebene ist dazu zu sagen, dass die Walliser Alpenflora die reichste in den Schweizer Alpen ist, und viele Gegenden des Wallis (und hier sind nicht nur Zermatt und Saas gemeint!) werden für den Floristen immer dankbare Ziele bleiben. Wie schon vor zwei Jahrhunderten die Mitarbeiter des grossen Haller, als sie die Vispertäler erforschten, von der botanischen Reichhaltigkeit beeindruckt waren, so wird der Botaniker des 21. Jahrhunderts, wenn er heute bequemer und schneller die klassischen Stellen dieses Kantons aufsucht, mit Begeisterung der Fülle seltener und hervorragender Pflanzenarten gegenüberstehen.  

Zum Saisonabschluss präsentiert der Blumenwanderer einen bunten Blumenstrauss von neuen Aufnahmen, die im Verlaufe dieses Jahres entstanden sind. Hoffentlich widerspiegeln die Bildli mit mehr oder weniger speziellen Walliser Arten ein klein wenig seine Begeisterung für diesen Kanton!




wo hat der Blumenwanderer denn
seinen Rucksack abgestellt?
es ist immer erhebend, vor solch einem voll
aufgeblühten Dingel-Stängel zu stehen
(Limodorum abortivum)

Schwarze Platterbse (Lathyrus niger)
Ährige Glockenblume (Campanula spicata)


immer wieder schön ist die voll aufgeblühte Vogel-Wicke (Vicia cracca ssp. tenuifolia)



Glattes Brillenschötchen (Biscutella laevigata)



die grosse Ausnahme unter den
Nelkengewächsen, da alle seine
Blätter wechselständig sind ...

ist der Zierspark (Telephium imperati).


.
die Dame mit der wilden Frisur heisst
Felsen-Gänsekresse (Arabis nova)...
und ist heute ausserhalb des Wallis
kaum mehr anzutreffen.




diese typische Walliserin habe ich so
nicht auf Anhieb erkannt: es ist
die Walliser Flockenblume (Centaurea valesiaca)

später identifizierte ich sie an ihren feinen Blütenständen


das Aufrechte Glaskraut (Parietaria
officinalis) gehört zu unseren
ganz wenigen Nesselgewächsen


"dieses einjährige, kleine Kraut von der Tracht der
Medicago minima, mit schwachem Trigonellen-Duft",
(Originalzitat Gustav Hegi!) ist der 
Französische Bockshornklee (Trigonella monspeliaca)







so ohne Blüten erkannte ich den im Wallis verbreiteten
Ruten-Knorpelsalat (Chondrilla juncea) nicht auf Anhieb.
Immerhin sehe ich nun mal die zur Blütezeit
verdorrten Grundblätter!


gar nicht so auffällig ist
der Ohnsporn (Aceras anthropophorum)
die Schönheit dieser Orchideen-Art
liegt im Detail



so muss man das Wallis mit seinen durchschnittlich
300 Sonnentagen pro Jahr auch einmal gesehen haben!



die Gelbe Wicke (Vicia lutea) ist eine mediterrane Pflanze,
die unbeständig nach West- und Mitteleuropa verschleppt wird. Ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet
reicht vom Mittelmeergebiet und dem südlichen
Mitteleuropa bis zum Iran.



auch diese hier hätte ich so fast nicht
erkannt, da ich sie bisher nur blühend sah

es ist die Berg-Sandrapunzel (Jasione montana),
ein Glockenblumengewächs des Oberwallis



nach diesem unscheinbaren Kerlchen
hatte ich lange gesucht:
Platterbsen-Wicke (Vicia lathyroides)!



der Schmetterlingshaft (Libelloides coccajus)
ist im Wallis noch recht häufig anzutreffen





vielen Dank an Paul Hürlimann für diese Aufnahme
der kleinen und doch so grossen Platterbsen-Wicke!


Natterkopf (Echium vulgare) mit...


Hummelschwärmer (Hemaris fuciformis)!
Er gehört zu den Schmetterlingen
und zudem zu den vier ausschließlich tagaktiven
 Schwärmerarten, die in Europa vorkommen.







die Oesterreicher Rauke (Sisymbrium austriacum)
ist trotz ihres Namens eine typische Walliserin!


was gibt es Schöneres als ein solches Vorkommen des Diptams (Dictamnus albus) zu finden!?




eine alte Walliser Nutzpflanze ist
die Erdkastanie (Bunium bulbocastanum).
Ihre Knolle kann sowohl roh als auch gekocht
als Gemüse verspeist werden.






ein ganz besonderes Walliser Juwel ist
die Smaragdeichse (Lacerta bilineata).
Bei diesen beiden Tieren überwog für ein kurzes
Weilchen die Neugier vor dem Fluchtinstinkt.




das Filzige Habichtskraut (Hieracium tomentosum)
kenne ich nur vom Wallis her



das Schweizer Meerträubel (Ephedra helvetica)
gehört zu den ursprünglichen Samenpflanzen.
Es kommt in der Schweiz ausschliesslich
im Wallis in kleinen, isolierten Populationen
 vor und ist national geschützt.

die Gelbe Hauhechel (Ononis natrix)
wächst als Halbstrauch und erreicht
Wuchshöhen bis zu 70 Zentimetern


die Walliser Lotwurz
(Onosma pseudoarenaria)...
aus der Familie der Raublattgewächse
wächst an den heissesten Stellen.


Glattes Zackenschötchen (Bunias orientalis)
Feld-Seide (Cuscuta campestris)


der Grosse Ehrenpreis (Veronica teucrium)
wächst wie hier gerne an trockenwarmen Hügeln.
Nicht unerwähnt bleiben soll der ihn umgebende Wegerich
(Plantago media), mit dem er in dieselbe Familie gehört,
den Wegerichgewächsen!

die schöne Esparsetten-Wicke (Vicia onobrychioides)
kommt in der Schweiz nur im Wallis vor

weit schweift der Blick auf die Talebene von einem der Hügel bei Sitten


und immer wieder grüsst
der Dingel (Limodorum abortivum)
bei dieser Orchideenart ohne grüne Laubblätter
handelt es sich um einen sog. Mykoparasiten

Schwarznessel (Ballota nigra)


die Hohe Rauke (Sisymbrium altissimum)
ist ursprünglich osteuropäisch verbreitet








der Blasenstrauch (Colutea arborescens)
blüht und fruchtet zugleich

die Sand-Esparsette (Onobrychis arenaria)
ist ein osteuropäisch-asiatisches Florenelement und
stammt aus den Steppenregionen Eurasiens.
Sie kommt in der Schweiz zerstreut vor,
am ehesten noch im Wallis.


Hoher Honigklee (Melilotus altissimus)
am Rande einer Kiesgrube




Esparsetten-Tragant (Astragalus onobrychis)





im Unterwallis liegt ihr einziger Fundort in der Schweiz:
die Erbsen-Wicke (Vicia pisiformis)





so oder so ist diese ganz gewöhnliche Art
wunderschön, auch wenn sie noch nicht blüht
es ist der Stachel-Lattich
(Lactuca serriola)

eine 134 Meter lange Seilbrücke, genauer:
Bhutanesischer Hänge-Laufsteg – überspannt
den Illgraben im Bereich seines Eintritts
in das Tal der Rhone im Pfynwald



aufgrund der starken Erosion gibt es im Illgraben
keinerlei dauerhafte Vegetation






vor dieser Höhle spielte der Blumenwanderer
in seiner Kindheit
was da nicht alles herabgeschwemmt wird:
Alpen-Aster (Aster alpinus)


nicht zu glauben, dass es solche Landschaften in der Schweiz gibt!
Blick nach hinten ins grausliche Fanöischi.



im Herbst noch gefunden: das Kali-Salzkraut (Salsola tragus)

das sich als Steppenroller bei Bedarf
auch selbständig machen kann

doch hiergeblieben, damit man dich 
besser betrachten kann!




die Frucht-Flügel dieses Fuchsschwanzgewächses
verfärben sich manchmal purpurrot,
was auf dieser Aufnahme gut zu sehen ist.


es gibt wohl kaum etwas anderes in der Walliser Flora,
das ebenso sparrig verzweigt wie auch stachlig wehrhaft wäre wie diese Art!

das Kali-Salzkraut ist eigentlich eine in Osteuropa und Zentralasien heimische Steppenpflanze.
Sie wurde weltweit in Steppengebiete verschleppt und ist damit in der Schweiz nicht ursprünglich.
Dass die Art hier einen ganzen Hügel auf einer Baustelle bedeckt,
ist auch für das Wallis eher aussergewöhnlich!
(die drei letzten Aufnahmen stammen von Paul Hürlimann)