Sonntag, 11. Februar 2024

die Massengesellschaft 1

Auch das gibt es also im Pflanzenreich: die Massengesellschaft. Unzählige Individuen derselben Art wachsen dicht beieinander auf relativ engem Raum. Ob sie unter Dichtestress leiden, ist nicht bekannt. Während das heute unter Menschen einen eher negativen Beigeschmack hat, kann dies bei Pflanzen reizvoll sein, besonders wenn sie auch noch blühen.

Und so machte sich der Blumenwanderer mitten im kalten, blumenlosen Winter in seinem Fotoarchiv auf die Suche nach entsprechenden Beispielen. Und er ist fündig geworden, so sehr, dass er bald schon aufhören musste, waren doch längst genug Aufnahmen zusammengekommen für gleich zwei Beiträge aus den vergangen Jahren, die das Phänomen verdeutlichen.

Zwar haben die Korbblütler und Doldenblütler das Prinzip längst entdeckt und zur Perfektion gebracht, indem sie in einem Blütenstand unzählige Blütchen zusammenfassen, um den Eindruck einer riesigen Blüte zu erzeugen, aber auch sonst scheinen Pflanzen den Trick zu mögen, durch massenhaftes Blühen die Schauwirkung dermassen zu vergrössern, dass man einfach nicht daran vorbeigehen kann. Und das nicht nur als Insekt.


Erster Teil


der Winterling (Eranthis hyemalis) macht seinem Namen alle Ehre:
schon im ausgehenden Winter präsentiert das Hahnenfussgewächs seine zahlreichen Blüten,
aber nur selten so massenhaft wie hier


kurze Zeit später kommen auch schon die Schneeglöckchen (Galanthus nivalis)






jedes Jahr im Februar verzaubern mich auch die Lichtblumen (Bulbocodium vernum) im Wallis


den Reigen der Zwiebel-Geophyten setzt der Elfen-Krokus fort (Crocus tommasinianus).
Er ist eigentlich nicht einheimisch, bildet aber in Parks schöne Blühaspekte.


nach des Blumenwanderers Meinung dürfte sich der Krokus
ruhig noch etwas invasiver gebärden

oft werden allzu Vorwitzige wie die Krokusse von eisigen Nächten
 oder spätem Schnee überrascht. Nun, sie können es nicht besser wissen, denn in ihren
südlichen Heimatländern müssen sie mit solchen Widrigkeiten nicht rechnen.




auch die Vorfrühlings-Alpenveilchen (Cyclamen coum) links
gehören zu den fremdländischen Frühblühern,
die eingeschneit werden können



sobald die Sonne an den ersten frostfreien Tagen die Erde erwärmt, entfaltet sich,
was den Winter über in der Erde schlummerte


solche Bestände des Märzenglöckchens (Leucojum vernum) sind in unseren Wäldern ganz selten

diesen Gelben mit den vielen Namen kennen alle:
der Huflattich (Tussilago farfara), auch bekannt als
Zytröseli, Teeblüemli, Eselslattich, Wanderers Klopapier u.s.w.


mein blaues Wunder erlebte ich hier
mit diesen vielen Blausternen (Scilla bifolia)
schade nur, dass es bei uns keine
Hasenglöckchen-Wälder gibt!


einen kleinen Eindruck davon gibt immerhin dieser Bestand von
Forbes-Schneestolz (Scilla forbesii) in einem botanischen Garten


aber auch dieser Blaublüter verzauberte mich im Flaumeichenwald:
Kleines Immergrün (Vinca minor)


sobald die Blätter da sind, ist es in diesem Auwäldchen feucht und dunkel.
Im Vorfrühling aber erglänzt alles vor Scharbockskraut (Ranunculus ficaria).

solch flächige Bestände von Geisseglöggli (Anemone nemorosa) sind ein Indikator
für alte Wälder, da es sehr lange braucht, bis sich ein solcher Bestand gebildet hat

das Buschwindröschen besitzt keine Zwiebel, sondern ein Rhizom,
welches jedes Jahr nur wenig wächst

das Buschwindröschen (Anemone nemorosa) gehört zu meinen liebsten
Frühlings-Geophyten! Dies sind Pflanzen der Laubwälder, die vor dem Laubaustrieb
 blühen, assimilieren und fruchten und so die lichtreiche Vegetationszeit
 in ihrem Lebensraum optimal nutzen


die zartere und viel seltenere Schwester des Buschwindröschens hier in einem zauberhaften Bestand:
das Muschelblümchen (Isopyrum thalictroides) an einem Bächlein im Waadtland


ein weiterer Frühlings-Geophyt ist der Lerchensporn (Corydalis cava),
hier in einem einmaligen Massenbestand




natürlich gehört auch das Leberblümchen (Hepatica nobilis) in die Sammlung der Frühblüher!
Dass es aber so massenhaft auftritt, wie hier an einer Suone im Wallis, ist aussergewöhnlich




auch die Hunds-Zahnlilie (Erythronium dens-canis) kommt in Wäldern vor,
wie hier im grenznahen Ausland auf der Montagne de Vuache






was gibt es Schöneres im Frühling, als durch einen solchen Zauberwald
voller Osterglocken (Narcissus pseudonarcissus) zu streifen!
Auch sie sind Indikatoren für alte Wälder, die lange nicht abgeholzt wurden.

viel weniger auffällig, aber für mich nicht weniger schön ist
ein grosser Bestand des Gelbsterns (Gagea lutea),
hier unter einem alten Berg-Ahorn

in dieser Kollektion darf natürlich der Walliser Frühlingsstar
nicht fehlen, das Adonisröschen (Adonis vernalis)!

auch die Kleinblütigen finden sich zuweilen massenhaft:
Lenzblümchen (Erophila verna)

viel weniger häufig dagegen und geradezu ein Glücksfund:
der Acker-Mannsschild (Androsace maxima), ein Winzling
mit einem ironischen Namen, so als ob er der Grösste sein wollte!

Dreifinger-Steinbrech (Saxifraga tridactylites)

Zypressen-Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias)


unzählige Wald-Schlüsselblumen (Primula elatior) entlang eines Wanderwegs



etwas später im Jahr beginnt auch in den Bergen der Frühling:
Frühlings-Krokus (Crocus albiflorus)


hier befinden sich zwischen den Krokussen
unzählige Röhrige Gelbsterne (Gagea fragifera)




und im Mai geht es los mit den Berg-Narzissen (Narcissus radiiflorus),
so als hätte es noch einmal geschneit!


einen solchen Bestand von Balkan-Windröschen (Anemone blanda)
habe ich vorher noch nicht gesehen, und das nicht auf dem Balkan,
sondern im Waadtland!


auch ganz gewöhnliche Arten können magisch sein wie in dieser Wiese
voller Faden-Ehrenpreis (Veronica filiformis)


oder in diesem Rebberg bedeckt mit
Stängelumfassender Taubnessel
(Lamium amplexicaule)
eine duftende Veilchen-Flur:
Wohlriechendes Veilchen (Viola odorata cf.)



der Blumenwanderer liebt solche Massenbestände,
hier des Reiherschnabels (Erodium cicutarium)

auch das gute Massliebchen (Bellis perennis) kann das!

und erst recht die Acker-Taubnessel (Lamium purpureum)

das Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris) im Dichtestress


Weinberg-Traubenhyazinthe (Muscari neglectum)

zur Freude aller Hasen färbt hier der Hasensalat (Crepis sancta)
einen ganzen Rebberg mit seinem satten Gelb!

auch Bäume und Sträucher können Massenblüten veranstalten, wie das Beispiel
dieses Kirschbaumes bei Bern zeigt, aber das ist ein anderes Kapitel.....













Freitag, 24. November 2023

im Tal der grünen Fee

Vergöttert, verteufelt, verboten, heimlich weiter produziert und dann - nach 95 Jahren - wieder erlaubt. Absinth hat eine sagenumwobene Geschichte. Das Verbot hat die Faszination der Grünen Fee nicht geschmälert, vielmehr hat es sie zum Mythos gemacht, im Val-de-Travers und darüber hinaus. Der hochprozentige Schnaps aus dem Neuenburger Jura hatte ab der Mitte des 18. Jahrhunderts einen beispiellosen Aufstieg. Der enorme Konsum hatte aber Schattenseiten: Alkoholismus, Absinthismus - die Grüne Fee wurde verboten. Im Val-de-Travers jedoch ging es weiter. Hinter verklebten Fenstern, in Hinterzimmern und Kellern wurde heimlich weiter destilliert und gebrannt. Der Schwarzhandel blühte, tausende Liter Absinth wechselten die Besitzer, ein lohnender Zusatzverdienst für viele.

Der Absinth enthält mit seinen botanischen Zutaten wie Wermut (Artemisia absinthium), Anis (Pimpinella anisium) und Fenchel (Foeniculum vulgare) eine spannende doldenblütige Note. Nicht der Hochprozentige indes lockte den Blumenwanderer ins Val-de-Travers, sondern wie jeden Herbst hatten es ihm einige alte und aussergewöhnliche Bäume angetan. Dazu musste er allerdings erst einmal die etwas gfürchige Gegend von Pouetta Raisse südlich von Môtiers durchqueren. Diese wilde Schlucht mit ihren vielen Treppenstufen und Stegen behagte ihm nicht, und so war er froh, sich unvermittelt auf einer Juraweide wiederzufinden......


Blick zurück ins Val-de-Travers: unten das Schloss von Môtiers,
im Hintergrund Fleurier und der bekannte Chapeau de Napoléon


nicht konnte der Blumenwanderer es lassen,
in Môtiers eine Flasche...
des ortsüblichen Elixiers zu erstehen.



bald jedoch schon nahm er vom Schloss Môtiers aus
die Schlucht von Pouetta Raisse in Angriff




das Wort "pouet" kommt aus dem regionalen
Patois und bedeutet: hässlich und stinkend

und auch dem Blumenwanderer kam
die Lokalität nicht gerade lieblich vor

immerhin gab es daselbst noch einen botanischen
Leckerbissen in Gestalt des schon abblühenden
Kambrischen Scheinmohns (Meconopsis cambrica)
sich umblickend war er aber insgesamt froh,
dass er das Loch hinter sich lassen....


und eine schöne Juraweide
mit diesen grossen Buchen (Fagus sylvatica) betreten konnte.


auch die jahreszeittypische Art
darf nicht fehlen: Herbstzeitlosen
(Colchicum autumnale)



am Ende eines langen Baumlebens bleibt
das Gerippe, das hier liegenbleiben darf



solch grosse Wacholder (Juniperus communis)
wie hier sieht man selten






der Holz-Apfelbaum (Malus sylvestris) mit seinen
kleinen Früchten ist im Jura recht häufig

und hier kommt das Ziel der Wanderung in Sicht:
der sogenannte Gogant von Ronde Noire,
eine der wohl urchigsten Wettertannen der Schweiz


im lokalen Patois bedeutet Le Gogant eine einzeln
  stehende Weisstanne (Abies alba) von aussergewöhnlicher Grösse. Mit zunehmendem Alter erreicht sie ein von anderen Bäumen im Wald nie gekanntes Ausmass und wird somit zu einem Zufluchtsort für Menschen und die Tierwelt.



der sog. Brusthöhenumfang beträgt
7,5 Meter! Zum Vergleich meine
Wanderstöcke daneben

es wird geschätzt, dass die phänomenale Dame
mehr als 350 Jahre alt ist. In dieser Zeit hat sie
Stürmen, Blitzen und nicht zuletzt auch 
dem Menschen getrotzt


mehrstämmige Rot-Buche
(Fagus sylvatica)...
gleich neben dem Riesen.


auf einer anderen Weide treffe ich auf diese zwei Bergahorne (Acer pseudoplatanus),
links einer in üblicher Grösse, doch derjenige rechts.....


ist einer der eindrücklichsten Bergahorne
unseres Landes.

dieser Bergahorn hat einen Stammumfang von 6 Meter
 und eine Kronenbreite von unglaublichen 38 Metern!


unter ihm macht der Blumenwanderer lange Rast


wie wohl der herzförmige Stein über
meinem Rucksack in den Stamm geraten ist?

schon neigt sich die Sonne dem Horizont zu
und mahnt zum Aufbruch





zurück bleiben schöne Erinnerungen an einen goldenen Herbsttag