Montag, 4. Juli 2022

durchs wilde Zwischbergental

Schon wieder ein Glanztag im Südsimplon-Gebiet! Wie vor zwei Jahren (siehe der Beitrag vom 2. August 2020) besuchte der Blumenwanderer wieder das Zwischbergental. Gegenüber Gondo an der Grenze zu Italien windet sich eine Strasse auf eine Terrasse. Dahinter öffnet sich ein wunderschön urtümliches, etwa sechzehn Kilometer langes Tal - das Zwischbergental.

Die Schmugglerroute über den Monscera-Pass war während der beiden Weltkriege lebenswichtig. Heute entdecken vor allem Wanderer, Biker und Fischer die dichten Wälder, blumenübersäten Alpen und erfrischenden Bergseen von Zwischbergen, wie diese Walliser Gemeinde mit dem beschreibenden Namen heisst.

Der Blumenwanderer schätzt - wie könnte es anders sein - vor allem die originelle Flora des Gebiets, dessen insubrisch geprägtes Klima (mit höheren Niederschlagsmengen und weniger grossen Temperaturunterschieden zwischen Sommer und Winter) einige Pflanzen begünstigt, die es im Laufe ihrer Besiedlung nicht über den Simplon hinaus geschafft haben und denen das Klima der kontinental geprägten Nordseite nicht behagt.


zuerst macht der Blumenwanderer noch einen Abstecher in der Gondoschlucht...


zu diesem Blühwunder mit den unzähligen Blütenwölkchen.
Doch ist es dies kein Bärenklau!


es ist ein Doldenblütler, den
der Apiaceen-Fan schon lange suchte

und zwar der Rippensame (Pleurospermum austriacum),
welcher in der Schweiz nur an wenigen Stellen zu finden ist


der daumendicken Grundachse entspringen
zahlreiche Blätter und
oben lange Doldenstrahlen

Habitus der imposanten Pflanze,
die fast mannshoch werden kann

dort auch der nicht minder eindrückliche 
Striemensame (Molopospermum peloponnesiacum),
der nun bereits fruchtet. Auffallend ist,
dass die Seitendolden keine Früchte bilden.


hier wachsen die beiden Dolden-Giganten originellerweise
gleich nebeneinander und lassen sich somit gut vergleichen:
links der Rippensame, rechts der abgeblühte Striemensame!



eine nicht minder stattliche Staude ist
die Alpen-Bergscharte (Stemmacantha rhapontica),
auch Riesen-Flockenblume genannt



die körbchenförmigen Blütenstände
sind sehr gross
hier mit dem Thymian-Widderchen
(Zygaena purpuralis)





die grossköpfige und riesenblättrige Art ist
eine der auffallendsten Gestalten
unter den alpinen Hochstauden



Rautenblättrige Glockenblume
(Campanula rhomboidalis)



mir gefallen die einfachen Steinhäuser des Gebiets





Färber-Ginster (Genista tinctoria)


Schwarzwerdender Geissklee (Cytisus nigricans),
beide direkt am Strassenbord wachsend



zwei Ginster im Vergleich:
links Deutscher Ginster (Genista germanica,
noch nicht blühend) und rechts
der Färberginster (G. tinctoria)


Moschus-Schafgarbe (Achillea erba-rotta ssp. moschata).
Der Berner Naturgelehrte Albrecht von Haller berichtete
 im 18. Jahrhundert über die medizinische Wirkung der
auch Iva-Pflanze genannten Art: die Bergbewohner
 würden die Essenz gegen Blödigkeit, Unverdaulichkeit,
 Blähungen und Bauchschmerzen nutzen.




Feder-Flockenblume (Centaurea nervosa)

Hallers Laserkraut (Laserpitium halleri)



Blick zurück Richtung Fah-Stausee


Alpen-Berufkraut (Erigeron alpinus)


blumenübersät sind nun die Alpmatten





 eine botanische Perle des Zwischbergentals
ist die Grossblumige Hauswurz
(Sempervivum grandiflorum)


ihre Blätter mit den dunklen Spitzen sind überall
drüsig bewimpert und riechen würzig nach Harz




ihre hellgelben Blüten sind aussergewöhnlich
für unsere heimischen Hauswurze

sie sind sehr gross
und sternförmig ausgebreitet

Alpen-Aster (Aster alpinus)



immer wieder begegnet man auch
Feuerlilien (Lilium bulbiferum ssp. croceum)


der für das Gebiet typische 
Strauss-Steinbrech (Saxifraga cotyledon)


auch dies ein Steinbrech:
Bach-Steinbrech (Saxifraga aizoides)





Einköpfiges Ferkelkraut (Hypochaeris uniflora)

Felsen-Leimkraut (Silene rupestris)





und wieder kommt die sehr seltene
Hauswurz in Sicht

teilweise über Abgründen wachsend


Habitus im Habitat,
 wie man so schön sagt

ihre grossen Blüten begeistern
den Blumenliebhaber



diese Pflanze scheint nicht recht Farbe
bekennen zu wollen: ein durch Hybridi-
sierung entstandenes Exemplar

die Hauswurz wächst dort, wo es sonst nur wenige
 andere Pflanzen aushalten. Sie erträgt Hitze, Trockenheit
 und Kälte problemlos und behält auch im Winter ihre Blätter.
Hier die häufige Berg-Hauswurz (Sempervivum montanum).



an den Hang gebauter Stall aus Stein und ohne Mörtel

Blick Richtung Passo d'Andolla, wo bereits Italien beginnt

hinter dem Brücklein ist wieder der Fah-Stausee zu sehen











Sonntag, 19. Juni 2022

durch die Gondoschlucht

 Am Rande Insubriens gelegen weist die Gondoschlucht eine für das Wallis aussergewöhnliche Florenzusammensetzung auf. Dank des südalpinen Einflusses wachsen an den steilen, südexponierten Talhängen so schöne und seltene Pflanzen wie z.B. der Strauss-Steinbrech, das Walliser Leimkraut oder der Striemensame.

Ihre Hänge sind derart steil, dass die gefürchtete Gondoschlucht zur Zeit der Säumer nicht durchquert werden konnte. Stattdessen marschierten sie vom Weiler Gabi über den Furggu (Pass) ins Zwischbergental und von dort hinunter nach Gondo.

Heute durchquert man die 5 km lange Schlucht zwischen dem kleinen Gabi und dem "letzten Walliser Dörflein" Gondo bequem auf einer gut ausgebauten Strasse. Das ändert aber nichts am Umstand, dass auch heute noch dieses wilde und imposante Gebiet zu weiten Teilen nicht bewirtschaftet werden kann und deshalb seine Urtümlichkeit und Spezialitäten bewahren konnte. Die folgenden Bilder möchten einen Eindruck davon geben.



auf einer langen Fahrt soll man einen
Zwischenhalt einlegen, hier geschehen
beim Schallberg an der Simplonstrecke

auch hier gibt es attraktive Arten:
Astlose Graslilie (Anthericum liliago)



Blauer Lattich (Lactuca perennis)


Walliser Levkoje (Matthiola valesiaca),
schon fruchtend



in der Gondoschlucht angekommen stelle ich fest,
dass das Steinbrech-Leimkraut (Silene saxifraga)
schon längst verblüht ist. Die südalpine Art
kommt in der Schweiz nur an wenigen Stellen vor.


auch der beeindruckende Strauss-Steinbrech
(Saxifraga cotyledon) ist schon am Abblühen


ganz im Gegensatz zum Gold-Klee
(Trifolium aureum)



zum Glück finde ich gerade noch die letzten Blüten
des Walliser Leimkrauts (Silene vallesia).
 Als westalpiner Endemit geht es östlich
nicht über das Wallis hinaus.


Hirschheil (Seseli libanotis)

Alpen-Steinquendel (Acinos alpinus)





geheimnisvoll leuchtet die Feuerlilie
(Lilium bulbiferum ssp. croceum)
aus dem Dunkel

beeindruckt hat mich dieser Halbstrauch, der Dorn-Tragant
(Astragalus sempervirens). Er ist die einzige die Alpen
erreichende Art der Gattung mit unpaarig gefiederten
Laubblättern, deren Spindeln verdornen.
Diese Dornen stellen offenbar einen
wirksamen Schutz gegen Tierfrass dar. 


damit ist auch klar, dass er seinen Namen sempervirens 
zu Unrecht trägt, da er nicht immergrün ist:
die bleibenden Blattdornen assimilieren nicht!


"Die nektarreichen Blüten, die von Bienen und Hummeln besucht werden,
zeigen nach Briquet einen Übergang von der Klappvorrichtung zu
der Explosionsvorrichtung, indem der Pollen beim Herunterklappen des Schiffchens
mit kräftigem Ruck aufwärts geschleudert wird, worauf sich das Schiffchen wieder aufrichtet"
(Hegi, IV,3 S. 1438)


Fleischers Weidenröschen (Epilobium fleischeri)


Schopfige Kreuzblume (Polygala comosa)


die typischen Steinhäuser südlichen Typs dieser Gegend...
verfallen leider da und dort.

ein weiterer schöner Vertreter der Tragante blüht am Wegrand:
die Alpenlinse (Astragalus penduliflorus)


in einem Feuchtgebiet fruchtet massenhaft das Wollgras (Eriophorum sp.)


der Star des Tages war dieser Doldenblütler
mit dem längsten botanischen Namen,
den ich kenne: der Striemensame
(Molopospermum peloponnesiacum)



neugierig wie der Blumenwanderer ist, 
hat er ihm auch unters Röckchen geguckt






sein tief blaugrünes, unendlich geteiltes Blatt



und seine mit Rippen versehenen namensgebenden Früchte
mit der notorischen Tante im gestreiften Kleid
(Foto: Paul Hürlimann)


diese Art zeigt mir wieder einmal,
dass die Doldenblütler einige der schönsten
Pflanzen aufweisen, die es in der 
Schweiz gibt!

für Molopospermum ist unter anderem sein ausgeprägter,
 eher unangenehmer Geruch typisch, der jedoch
erst beim Zerreiben der Blätter wahrnehmbar ist.
Bei meinem Aufenthalt ist die Luft indes erfüllt vom
charakteristischen Honigduft der unzähligen Blüten!




unter der grossen 14-40 strahligen Gipfeldolde....
befinden sich mehrere quirlig angeordnete Seiten-
dolden, alle mit vielblättrigen Hüllen und Hüllchen.


ich bin hingerissen ob soviel Üppigkeit
in diesem Dschungel am steilen Abhang!


zwischen den Striemensamen....
blühen die Türkenbunde (Lilium martagon).


der Striemensame steigt im Bereich Gondoschlucht in beachtliche Höhen
(Foto: Paul Hürlimann)

auch die Alpen-Bergscharte (Stemmacantha rhapontica) ist hier vertreten
(Foto: Paul Hürlimann)

im Bereich der Striemensamen
betört einen auch das Blau
der Alpen-Akelei (Aquilegia alpina)...


und das Gelb 
der Schwefelanemonen
(Pulsatilla alpina ssp. apiifolia).


das Gebiet ist auch bekannt für seine
grossen Lärchen (Larix decidua), hier
mit der Alpen-Hagrose (Rosa pendulina)
im Unterwuchs ist zahlreich die schöne
Schneeweisse Hainsimse (Luzula nivea) zu finden




"gewaltig" ist alles, was mir zum Seehorn auf der anderen Schluchtseite einfällt.
Darunter tun sich Abgründe auf.


überall zu sehen ist auch die Lärchenblättrige Miere
(Minuartia laricifolia). Diese grossblütige
Art tritt mit Vorliebe an sonnigen Abhängen auf,
hier mit dem Dorn-Tragant im Hintergrund.
die schöne Wald-Platterbse (Lathyrus sylvestris)
habe ich so ziemlich überall gesehen,
nur nicht im Wald
















dasselbe ist von dieser Art zu sagen: Spinnweb-Hauswurz (Sempervivum arachnoideum)


ein Ausblick nach Italien!
Wieder einmal hat mir das sagenhafte Südsimplon-Gebiet einen herrlichen Tag bereitet!