Donnerstag, 28. Mai 2020

das blaue Band vom Bodensee

Nach der Eiszeit färbten im Frühjahr lange Bänder des Bodensee-Vergissmeinnichts die Uferbereiche der Gletscherseen am Fuß der Alpen himmelblau. Überreste dieser vergangenen Pracht findet man noch vereinzelt an einigen Kiesstränden am Bodensee. Die kleinwüchsigen Pflanzen sind gut an die extremen Bedingungen der Überschwemmungszone angepasst und ertragen sogar eine mehrmonatige Überflutung. Die zunehmende Freizeitnutzung und die sich durch den Klimawandel ändernde Wasserstandsdynamik stellen eine große Bedrohung für diesen mitteleuropäischen Endemiten dar. Er gilt mittlerweile als vom Aussterben bedroht.

Dass der Blumenwanderer dieses Kleinod der Schweizer Flora auf einer Wanderung an den Gestaden des Bodensees fand, hat ihn gefreut. Was ihm sonst noch so alles auffiel, zeigt dieser Beitrag.


Tourdatum: 22. April 2020





eine Ueberraschung war diese mächtige Staude bei Arbon.
Die auffallend weissen Blattadern weisen auf
den Italienischen Aronstab hin (Arum italicum)


der Blütenstand bestätigt diese Vermutung, ...
denn der Kolben weist eine gelbe Farbe auf,
ganz im Gegensatz zu unserem einheimischen
Aronstab, der auch nicht so gross wird.




im angrenzenden Waldbereich trifft man auf
die Weisse Taubnessel (Lamium album) und....
das Bisamkraut (Adoxa moschatellina).


Habichtspilz (Sarcodon imbricatus)

Kriechender Günsel (Ajuga reptans)

entlang eines Zauns blüht gerade die Zypressen-Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias)


Der Bodensee ist einer der wenigen nicht stauregulierten Voralpenseen.
Daher ist sein Wasserstand starken jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen.
Im Bereich der Ueberschwemmungszone wachsen auf wenigen Kiesufern
seltene Pflanzebestände, die in dieser Zusammensetzung weltweit einzigartig sind.

Schilf (Phragmites australis)


der Nutzungsdruck durch den Menschen ist gross


eine der kleinsten gefunden Blumen:
Dreifinger-Steinbrech (Saxifraga tridactylites)

eher ungewöhnlich ist dieser Fund:
Echte Ochsenzunge (Anchusa officinalis)



schon kommen die ersten Strandlings-Rasen in Sicht




der Strandling (Littorella uniflora) ist eine kleine,
unauffällige Pflanze, die mit dem Wegerich verwandt ist

die rosettenförmig angeordneten Blätter
des Strandlings bilden dichte Rasen


die Pflanzen hier sind nur wenige Monate im Jahr überschwemmt,
während ich am Thunersee mit der Schwimmbrille auch schon
völlig untergetauchte Bestände inspiziert habe

und da leuchten die azurblauen Blütchen des Bodensee-Vergissmeinnichts (Myosotis rehsteineri)
zwischen den Kieselsteinen hervor!





es ist in allen drei Bodensee-Anrainerstaaten vom Aussterben bedroht:
kein Wunder, denn vor allem die Eingriffe des Menschen
haben dazu geführt, dass heute nur noch 10-20%
der Strandrasen-Bestände wie vor 100 Jahren existieren.







das Artepitheton "rehsteineri" ehrt den Schweizer Pfarrer
und Naturforscher Johann Konrad Rechsteiner (1797–1858)




ich beobachtete, wie diese Hummel von Pflanze zu Pflanze
hüpfte und kroch, ohne je ihre Flügel zu gebrauchen



auf dieser Bank ass ich mein Mittagessen,
mittten im Wasser und doch trockenen Fusses

hier kann man nicht nur die Beine, sondern auch die Seele baumeln lassen


einem Ozean gleich liegt der Bodensee mitten in Europa,
weltoffen, gross und voller Ueberraschungen.
4 Mio. Menschen leben an seinen Ufern.








zum Grössenvergleich habe ich hier ein Fünfrappenstück hingelegt

auch zahlreiche Muscheln finden sich am Strand,
wie Dreikantmuscheln und Körbchenmuscheln




die vorgefundenen kleinen Bestände dieser seltenen Art
strafen das titelgebende "Blaue Band" Lügen

die ebenfalls sehr seltene Steife Winterkresse
(Barbarea stricta) wächst hier am Kiesstrand bei Arbon


auch nicht jeden Tag zu sehen ist
der Gift-Hahnenfuss (Ranunculus sceleratus)

nanu, ist das Bodensee-Vergissmeinnicht nun bis an die Uferverbauung vorgedrungen?
Nein, in Wirklichkeit streckt hier das Wald-Vergissmeinnicht (Myosotis sylvatica cf.)
vorwitzigerweise seine Blüten hinter einer Mauer hervor.










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