Montag, 23. Juni 2025

Was wir lieben

Statt in die Höhe, können wir auch in die Tiefe gehen, um uns an Hitzetagen abzukühlen. So stieg der Blumenwanderer letztens hinab in die Schlucht der Rotache und unternahm eine erfrischende Flusswanderung, was aber nicht ganz einfach war, da es so manches Hindernis zu überwinden galt.

Die Rotache, ein typisches Hochplateauflüsschen, entspringt an den waldigen Nordhängen der Honegg, wobei es in der Folge verschiedene Bäche aufnimmt, die seinem Wasser eine eigene warm-bräunliche Färbung geben. Durch eine tiefe Nagelfluh- und Sandsteinschlucht frisst sich das Flüsschen zu Tale, um zwischen Uttigen und Kiesen in die Aare zu münden. An dieser Einmündungsstelle ist die rötliche Farbe des Rotachenwassers gegenüber den blaugrünen Wellen der Aare besonders deutlich.

Die "Roteche" ist ein kleines Juwel hinter der Stadt Thun. Im Kanton Bern gibt es so einige mystische Orte. Dazu gehört für den Blumenwanderer die Rotacheschlucht, die er seit der Kindheit oft aufgesucht hat. Das zugehörige Flüsschen ist speziell: mal verspielt vor sich hin plätschernd, mal abenteuerlich auftretend. Der Name meint „Rotes Wasser“, denn Ache stammt ab von althochdeutsch aha ‚Fließgewässer‘, urgermanisch *ahwō, Das Wort ist urverwandt mit dem lateinischen aqua.


die Schlucht von oben gesehen von einer Kälberkropf-Matte aus:
Chaerophyllum hirsutum
der Wanderweg führt uns steil hinab zu einem Steg,
wo wir ins Wasser steigen...


und schon umfängt uns eine wildromantische Szenerie.


der Blumenwanderer würde seinem Namen 
nicht gerecht, würde er nicht auch hier unten
die Flora würdigen
eine diskrete Art der Auenwälder ist der
Berg-Ehrenpreis (Veronica montana)

und gleich oberhalb des Ehrenpreises
kommt der nächste Spezialist in Sicht


wenn es ein Epizentrum für diese seltene Art gibt, 
dann liegt es an der Rotache: das Gegenblättrige Milzkraut
(Chrysosplenium oppositifolium) wächst z.B. hier
zu Tausenden an einem Seitenbach


hier sind beide Arten gezeigt: links das viel häufigere
Wechselblättrige Milzkraut (Ch. alternifolium),
rechts das Gegenblättrige
 dieses kommt typischerweise an schattigen, feuchten Stellen
und wie hier an Flussrändern vor, wo es ganze Rasen bildet


hier ist auch das Reich der Farne:
links Grünstieliger Streifenfarn (Asplenium viride)
und oben Gelappter Schildfarn (Polystichum aculeatum)


überall sieht man auch Lebermoose

hierher passt auch eine sehr seltene Sauergrasart,
deren Horste aussehen wie Nadelkissen
Borstige Moorbinse (Isolepis setacea)


Bach-Steinbrech (Saxifraga aizoides)
weiter geht die Flusswanderung, wobei ich in meinen
alten Wanderschuhen ein Dauerfussbad habe.
Doch da das Rotachenwasser gegen Rheumatismen
und andere Leiden heilsam sein soll, macht es nichts!


solche Senken laden zum Bade ein. Noch ist das Wasser etwas kühl,
aber man gewöhnt sich schnell daran!

der Wald-Geissbart (Aruncus dioicus)
ist eine Augenweide


immer wieder ergiessen sich Seitenbäche 
als kleine Wasserfälle in die Schlucht


was leuchtet dort oben Rötliches in der Nagelfluhwand?

es ist doch tatsächlich das Juwel der Schlucht:
der seltene Kies-Steinbrech (Saxifraga mutata),
der hier an feuchten Nagelfluh-Felsen wächst
der Kies-Steinbrech bevorzugt Stellen nahe am  Wasser.
Wenn hier auch noch eine tropische Orchidee herabhienge,
würde mich das nicht erstaunen.
die schönen orangefarbenen Blüten dieser Art

hier sieht man gut, dass sich die Rosette 
während der Blüte verausgabt und danach abstirbt
die Art scheidet über ihren Blattrand Kalk aus,
was eine Anpassung an stark kalkhaltiges Substrat ist. Die Pflanzen nehmen den im Bodenwasser gelösten Kalk mit den Wurzeln auf und sondern die Überschüsse am Blattrand aktiv ab.



der Goldglänzende Laufkäfer (Carabus auronitens)
lebt in feuchten Laubwäldern


immer wieder sehe ich fruchtend
die Fingerblättrige Zahnwurz (Cardamine pentaphyllos)


wo die Seitenbäche münden, lagert sich
der Kalk oft in solchen Sinterkegeln ab

nun werden die Seitenwände höher,
und wir betreten einen richtigen Canyon



ich kann mich nicht sattsehen an dieser Urlandschaft

dazu die Naturgeräusche
und die angenehme Kühle des Wassers,
aber all die umgestürzten Bäume, na ja.

bei dieser Hitze geniesst man die Schattentour

hier soll sich eines der hiesigen 
Täuferverstecke befunden haben


ein wilder Felsenzirkus, auch Hexenkessel genannt,
 hält mein Fortkommen auf


im Hintergrund stürzt sich die Rotache
durch eine Stromschnelle hinab
Wasser von oben und unten sorgt für Kühlung.
Irgendwie fühlt es sich hier an wie das Ende der Welt.


hier wächst auch eine ganz besondere Pflanze,
die unten auf grossem Fusse steht, ...

 oben aber schön blüht:
das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera).
Die Art aus dem Himalaya hat es also auch
bis ans End der Welt geschafft: Chapeau!





bei der Rückkehr vergoldet das Abendlicht
die Schluchtvegetation




das namensgebende rote Wasser






die Gegend hier ist durch Erosion
und eine grosse Dynamik geprägt




Breitblättrige Fingerwurz
(Dactylorhiza majalis)

diese Aufnahmen entstanden schon einen Monat
früher an den Ufern der Rotache, wo es auch
Frauenschuhe (Cypripedium calceolus) gibt




diese einsame Diva hat mich erstaunt
Purpur-Knabenkraut (Orchis purpurea)












Freitag, 13. Juni 2025

Gniess dr Momänt

Nein, das Sigriswiler Rothorn war nicht des Blumenwanderers stotziges Ziel, er hielt schon viel früher inne und begnügte sich mit der Alp Underbärgli, denn er ist kein Sportler und Ehrgeiziger, muss es auch nicht sein, um die Pracht des Bergfrühlings zu begrüssen. Ein quasi exklusives Erlebnis im Frühling, denn: Die Skifahrer haben die Pisten mittlerweile verlassen und die meisten Berg-Wanderer haben ihre Schuhe noch nicht geschnürt.

Mit dem Wagen gelangt der Geniesser vom schön gelegenen Sigriswil bis zur Skiliftstation Wilerallmi auf 1200 m und erspart sich damit eine langweilige einstündige Wanderung über meistens asphaltierte Feldsträsschen. Von dort erreicht er bald einen Pfad, der durch den Bergwald nach oben führt. 

Zwar waren Flüeblüemli, Glockenenziane und Soldanellen grösstenteils schon verblüht, dafür präsentierten sich die Orchideen, die Alpenanemonen und Berghähnlein von der besten Seite. So lässt sich charmanterweise ein zweiter Frühling erleben zu einer Zeit, da im Unterland schon längst der Holunder blüht und die Hitze den Sommer ankündigt.


Alphütte auf der Wilerallmi
mit stolz präsentierten Treicheln
noch schöner als die Treicheln ist der Schlangen-Knöterich
(Polygonum bistorta), wenn er sich wie hier massenweise zeigt!

da hinauf gehe ich also

der Eisenhutblättrige Hahnenfuss (Ranunculus
aconitifolius) ist hier wirklich überall anzutreffen,
sei es an Waldstellen oder auf feuchten Wiesen


eine zarte Waldpflanze ist
die Rote Waldnelke (Silene dioica)



die Einbeere (Paris quadrifolia)
ist jetzt ebenso unscheinbar wie...


das Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis).
Alle beide fruchten sie jetzt.



man könnte meinen, dass da bald
die Kopfblume blüht, aber es ist
der Baldrian (Valeriana officinalis)



dieser Rundblättrige Steinbrech (Saxifraga rotundifolia)
fällt mir auf wegen seiner zahlreichen nickenden Knospen



ein Blickfang im Wald ist auch
die Berg-Flockenblume (Centaurea montana)


 so schön blüht es selbst im Wald





allmählich kommt man
in den Bereich der schroffen Flühe

entsprechend ändert sich die Florenzusammensetzung:
Augenwurz (Athamanta cretensis)





Felsen-Kugelschötchen (Kernera saxatilis)


Leberbalsam (Erinus alpinus)





hat man die Krete bei der Spitzen Fluh
mal passiert, ändert sich wiederum alles
Stattliches Knabenkraut (Orchis mascula)



das Brandknabenkraut (Orchis ustulata)
ist erst gerade am Aufblühen




die Alpwiesen sind jetzt eine Augenweide:
Mücken-Händelwurz (Gymnadenie conopsea)




wie bewundere ich doch solch alte Fichten,
die der harschen Witterung hier oben 
seit Jahrhunderten trotzen!

auf dieser Ruhebank finde ich schliesslich den Spruch,
der mir zum Motto des Tages wird

von ihr aus sieht man gut den Güggisgrat, auf dem auch der Mast des Niederhorns steht.
Die Sicht auf die Schneeberge ist allerdings getrübt wegen des Rauchs von einem Waldbrand
in Kanada (wenn ich es nicht gehört hätte, wüsste ich den Grund auch nicht).

schon stehen auch die schönen Arnika
(Arnica montana) in Vollblüte




Kalk-Glocken-Enzian (Gentiana clusii)


Frühlings-Enzian (Gentiana verna)




vor allem an schattigen Stellen zu finden
 ist das Gelbe Berg-Veilchen (Viola biflora)



Alpen-Bergflachs (Thesium alpinum)




dieser hier ist eher ungewöhnlich für das Gebiet
nördlich des Thunersees: Milchweisser
Mannsschild (Androsace lactea) in den Knospen!


und wenn mich nicht alles täuscht, ist das
der Strahlensame (Silene pusilla cf.)
der Alpenhelm (Bartsia alpina)


im Bereich des Grates gibt es immer wieder
wildromantische Ausblicke
bald steige ich schon wieder ab,
aber auf einem anderen Weglein

 nochmals zeigt sich der Bergfrühling in seiner ganzen Pracht:
Blattreiches Läusekraut (Pedicularis foliosa)
auch eine Orchideen-Art:
die Grüne Hohlzunge (Coeloglossum viride)

was ist denn das?
diese Art ist neu für mich!

es ist die Gelbe Berg-Platterbse
(Lathyrus occidentalis)
ihre hellgelben Blüten verfärben sich 
später bräunlich


diese Wiese ist voll von diesem schönen Schmetterlingsblütler


immer wieder führt der Weg auch
durch den subalpinen Fichtenwald
letzte blühende Exemplare 
der Fingerblättrigen Zahnwurz 
(Cardamine pentaphyllos)


hier ist auch der Lebensraum von zwei
sehr unscheinbaren Wald-Orchideen:
Kleines Zweiblatt (Listera cordata)...
und Korallenwurz (Corallorhiza trifida),
letztere noch knospend.




Alpen-Anemone (Pulsatilla alpina)

hier ist das Berghähnlein (Anemone narcissiflora)
noch in den Knospen




weiter unten steht es zu meiner Freude in Vollblüte!



bald ist man wieder auf der Alp unten...
und geniesst die Abendstimmung.



immerhin beschert mir der Rauch aus Kanada
nun auch noch einen romantischen Sonnenuntergang.
Im Hintergrund erkennt man den Thunersee.


zum Abschied noch ein Blick zurück: ganz links der Vorgipfel des Sigriswiler Rothorns,
dann die Merra. Der Rest des Sigriswiler Grats trägt dann meines Wissens keine Namen mehr,
ausser die Spitzi Flue ganz rechts, wo ich aufgestiegen war.