Sonntag, 27. Juli 2025

Das Gurnigelgebiet

Der bernische Gurnigel trägt einen der ältesten Namen der Region, da er auf das lateinische corniculum (Hörnchen) zurückgeht. Der bereits den Römern bekannte Pass war aber vor allem im 19. Jahrhundert als Aussichtspunkt bei den Gästen des Gurnigelbades beliebt. Dieses in der Gemeinde Riggisberg gelegene Grand Hotel war eines der grössten und bekanntesten Kurhotels der Schweiz, wurde aber 1946 aus Rentabilitätsgründen abgerissen.

Hier eine weitere von des Blumenwanderers "Wiederholungssünden", die sich zu häufen scheinen, doch nicht weil er träge und einfallslos geworden wäre, sondern weil er seit dem letzten Beitrag vom jenen schon fernen Juli 2016 so einige weitere spannende Pflanzenarten dort gefunden hat. Sie belegen die floristische Vielfalt des Gebietes mit seinen so unterschiedlichen Lebensräumen wie Moore, Bergweiden und subalpine Fichtenwälder. Der Beitrag bringt Aufnahmen von drei verschiedenen Ausflügen in die ursprüngliche Gegend.


das Gurnigelbad (1155 m ü. M.) war in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte
des 20. Jahrhunderts eines der grössten und bekanntesten Kurhotels der Schweiz!
Das Wasser dreier stark schwefel- und eisenhaltiger Quellen galt als heilend und wurde
teilweise getrunken, teilweise wurde darin gebadet. Der erste Hotelbau brannte 1902 ab,
der daraufhin erstellte zweite Hotelbau wurde 1946 abgerissen.


im Frühjahr färben die Krokusse (Crocus albiflorus) ganze Matten weiss


im Hintergrund die Wahrzeichen des Gurnigelgebietes:
Nünene, Gantrisch und Bürgle
schöner Ausblick auf den Thunersee, rechts ist das Stockhorn zu erkennen

und mit einem Sprung sind wir schon im Sommer:
der Alpen-Milchlattich (Cicerbita alpina) als prächtige,
durch ihre blauvioletten Blüten und die üppige
Laubentwicklung auffällige Hochstaude

nicht minder auffällig:
die Kohldistel (Cirsium oleraceum)




betreten wir das Reich der Orchideen,
zuerst mit dem Grossen Zweiblatt (Listera ovata)



Fuchs' Gefleckte Fingerwurz
(Dactylorhiza maculata ssp. fuchsii)
mit Baum-Weißling (Aporia crataegi)
schwieriger zu bestimmen:
wohl der Grosse Perlmuttfalter
(Argynnis aglaya cf.)
Gewöhnliche Breitblättrige Ständelwurz
(Epipactis helleborine)

ihre unzähligen Blütchen zeigen
den typischen Orchideenaufbau

hier wird eine Blüte gerade durch
eine Wespenart bestäubt
nur sehr selten anzutreffen ist allerdings
die Einorchis (Herminium monorchis)
die folgenden beiden kleinen
Waldorchideen kommen erst ab
etwa 1000 m ü.M. an aufwärts vor

es ist einerseits die
Korallenwurz (Corallorhiza trifida)


dann auch das Kleine Zweiblatt
(Listera cordata)
die zierliche Pflanze erreicht Wuchshöhen
von oft nur wenigen Zentimetern
sie stellt als eine Schattenpflanze und
saprophytischer Mullwurzler hohe
Ansprüche an die Luftfeuchtigkeit
erst aus der Nähe wird der typische
Aufbau der Orchideenblüte erkennbar


der Wald-Schachtelhalm (Equisetum sylvaticum)
mit seinem stockwerkartigen Aufbau

die Blattspreiten des Bergfarns
(Oreopteris limobsperma) haben
einen feinen Zitronengeruch



nein, kein Igel, sondern das Ordenskissen-Moos





das zu den Rosengewächsen gehörende...



Sumpf-Blutauge (Potentilla palustris)
wächst in Übergangsmooren und zeichnet sich
durch gefiederte, unterseits bläulich-grüne Blätter aus.




beim Blutauge übernehmen die purpurrot gefärbten
Kelchblätter die Schaufunktion und das Anlocken
der bestäubenden Insekten; die eigentlichen Kronblätter
sind kleiner und unauffälliger ausgeprägt.


Raupe des Kleinen Nachtpfauenauges
(Saturnia pavonia cf.)


die Rosmarinheide (Andromeda polifolia)
ist ein immergrünes Zwergsträuchlein innerhalb
der Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae),
und fruchtet hier bereits


auch der Dornige Wurmfarn (Dryopteris
carthusiana) liebt es feucht



der Teufelsabbiss (Succisa pratensis)
erhält Besuch


die Blumenbinse (Scheuchzeria palustris)
fand ich eher überraschend. In einer
Sammelfrucht stehen bis zu vier
Balgfrüchte zusammen.



 sie ist die einzige Art in der monotypischen Gattung
 Scheuchzeria, die wiederum die einzige Gattung
der Familie der Blumenbinsengewächse
(Scheuchzeriaceae) ist!



der Moorenzian (Swertia perennis)
bevorzugt wie sein Name sagt....
feuchte Lagen wie Sumpfwiesen
und Flachmoore.

die stahlblauen Sterne mit...
den dunklen Punkten und Streifen
sehe ich immer gerne.


hier mit Bestäuber und...
und da direkt neben einem weiteren
Enziangewächs, das gegen den Herbst blüht
es handelt sich um den schönen...

Schwalbenwurz-Enzian (Gentiana asclepiadea).


Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris)


beim Rundblättrigen Sonnentau (Drosera rotundifolia)
liegt Karnivorie vor! Winzige Insekten, wie Mücken, werden
vom Fangschleim an seinen Tentakeln festgehalten.



und als Finale noch der Auftritt des lokalen Stars:
der gefährdete Moorbärlapp (Lycopodiella inundata)

die Wald-Weidenröschen (Epilobium angustifolium) blühen bereits

und noch ein Blick über den finsteren Tann zum lichten Jura hinüber









Sonntag, 13. Juli 2025

auf Schatzsuche in Sibirien

Die meisten Ausflüge des Blumenwanderers gleichen einer kleinen Schatzsuche, denn er hat meist eine oder gar mehrere besondere Arten im Visier, die er finden möchte. Die Pflanzenvielfalt der Schweiz zu erkunden, zu beobachten und zu dokumentieren, ist sein erklärtes Hobby, das ihn begeistert. Meist findet er dabei das Gesuchte – und noch viel mehr.

An einem Hitzetag zog es den Blumenwanderer in unser schweizerisches Sibirien, ins Tal von La Brévine. Wie man sich denken kann, nicht nur der Kühle wegen, finden sich dort doch auch einige botanische Juwelen. An einem Strassenrand zieht sich ein verkarsteter, zum Teil in einzelne  Kalkblöcke zerfallener Grat hin. Rings um diesen Steinrücken wird nicht gemäht, gedüngt und geweidet. Es ist ein exklusiver botanischer Blumengarten!

Denn der Streifen überrascht durch seltene Arten wie Lathyrus bauhini, Veronica austriaca, Knautia godetii und Hypericum richeri. Es müssen aber nicht immer solche Kleinode unserer Flora sein, reicht doch meist auch ein Gang hinters Haus, um sich von der Natur überraschen zu lassen. Auch eine ganz gewöhnliche Art zu sehen, von der man nicht wusste, dass sie gleich nebenan still und heimlich wächst, ist befriedigend.


hier ist sie, die emblematische Jurablume:
Gelber Enzian (Genitana lutea)
und hier ist er also, der Blumengarten!



der Färber-Ginster (Genista tinctoria)
liebt Trockenwiesen


Pracht-Nelke (Dianthus superbus) u.v.a.m.
Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum aquilegiifolium)


eines der hiesigen Juwelen:
die Schwert-Platterbse (Lathyrus bauhini)


wie diese südeuropäische Pflanze (submediterran-präalpines Florenelement) ihr Areal im Neuenburger Jura erreicht hat, ist rätselhaft


der Blumenwanderer lässt dieses
und andere Rätsel gerne auch sich beruhen
und geniesst einfach die schöne Pflanze

das Artepitheton "bauhini" ehrt den Schweizer Botaniker
Johann Bauhin. Dieser hat schon im 16. Jahrhundert
seinen Familiennamen als Bauhinus latinisiert. Da dies
eine alte Latinisierung ist, ist sie nach den Vorschriften
zur botanischen Nomenklatur beizubehalten mit der
Schreibweise bauhini, und nicht zu bauhinii zu korrigieren.


die letzten beiden Aufnahmen verdanke ich Paul Hürlimann


dazwischen finden sich zur Entspanung
aber auch ganz gewöhnliche Arten wie
die Braunwurz (Scrophularia nodosa)...
 und der Alpen-Steinquendel (Acinos alpinus).



hier aber muss das Herz schon
wieder höher schlagen, denn ...
den Österreicher Ehrenpreis (Veronica austriaca)
sehe ich soeben zum ersten Mal!


das kalkholde Wegerichgewächs gilt selbst in Österreich
als sehr selten (Foto Paul Hürlimann)

was leuchtet da Gelbes im Kräutergewusel?
(Foto: Marc Henzi)
Richers Johanniskraut (Hypericum richeri)
sieht man auch nicht alle Tage
(Foto: Marc Henzi)

die Kelch- und Kronblätter im doldigen Blütenkopf
weisen zahlreiche sitzende schwarze Drüsen auf
(Foto von Marc Henzi)



im Jura findet man wie es sich gehört ab und zu auch
die Jura-Wittwenblume (Knautia godetii).
Stängel und Blätter sind bei ihr im unteren Teil kahl.


sie bevorzugt als Lebensraum feuchte, kalkreiche Wiesen.
Das mit der Feuchte lässt sich a prima vista nicht bestätigen.


gleich daneben steht die übliche
Wald-Wittwenblume (Knautia dipsacifolia)
noch in den Knospen

auch hier stimmt das Habitat nicht ganz,
denn nach Wald sucht man hier vergebens


weiter geht es auf der Suche nach Blühendem,
wobei die Hitze sogar hier allmählich zu drücken beginnt


Grosser Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis)

Geflecktes Johanniskraut (Hypericum maculatum)





zwei typische Jurassier sind
der Weichhaar-Pippau (Crepis mollis)...


und die Warzen-Wolfsmilch (Euphorbia verrucosa).





weiter geht der Reigen der Gelbblüher mit
dem Echten Labkraut (Galium verum)...
und der Wiesen-Platterbse (Lathyrus pratensis).


eine Besonderheit des Gebiets ist auch
die Schwarze Flockenblume (Centaurea nemoralis)
(Foto: Marc Henzi)
ihre Bestände sind in der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts durch Intensivierung
der Grünlandwirtschaft zurückgegangen
(Foto: Marc Henzi) 

eine Schönheit ist die Verschiedenblättrige
Platterbse (Lathyrus heterophyllus)
(Foto: Marc Henzi)



eine Exklusivität der höchsten Kategorie
wächst unweit davon, denn es ist ihr einziger
Fundort in der Schweiz
(Foto: Paul Hürlimann)




die Heide-Wicke (Vicia orobus) ist ein rein
atlantisches, meist subatlantisches Florenelement.
Sie ist hauptsächlich in Westeuropa verbreitet.
die Heide-Wicke besiedelt in Mitteleuropa
v.a. den Saum lichter Wälder


die Heide-Wicke hat ein disjunktes Verbreitungsgebiet. Sie ist aber überall selten. Eine abschliessende Bewertung der Frage nach ihrer natürlichen Verbreitung ist derzeit nicht möglich. Man kann sich aber eine Einwanderung zur Zeit der subatlantischen Keltenwanderungen vorstellen (Zitat Wikipedia)

Vicia orobus wächst aufrecht, verzweigt, nicht kletternd wegen fehlender Ranke
(Unterschied zu den meisten anderen Wickenarten!)