Mittwoch, 21. August 2024

das Buch der Natur

"Der Himmel verkündet die Herrlichkeit Gottes und das Firmament bezeugt seine wunderbaren Werke. Ein Tag erzählt es dem anderen, und eine Nacht teilt es der anderen mit. Ohne Sprache und ohne Worte, lautlos ist ihre Stimme, doch ihre Botschaft breitet sich aus über die ganze Erde und ihre Worte über die ganze Welt. Die Sonne wohnt am Himmel, wo Gott sie hingestellt hat."  – Psalm 19:1-4

"Um Gott zu entdecken, liest manch einer Bücher. Allerdings gibt es ein fantastisches Buch: Allein schon das Auftreten von etwas Erschaffenem. Schau über dich! Schau unter dich! Achte darauf. Lies es. Gott, den du entdecken möchtest, schrieb dieses Buch ohne Tinte. Stattdessen setzte Gott das vor deine Augen, was Er erschaffen hat. Kannst du nach einer lauteren Stimme fragen? Warum? Himmel und Erde rufen dir zu: „Gott hat mich geschaffen!“  – Augustinus (354-430)

Und schliesslich noch ein Zitat von Luther: "Gott schreibt das Evangelium nicht nur in der Bibel, sondern auf Bäume und Blumen und Wolken und Sterne."  Auf einer Wanderung im Juni vom Col du Marchairuz Richtung Grand Cunay las der Blumenwanderer eifrig im Buch der Natur und lernte so eine bunte Frohbotschaft kennen wie die folgenden Bilder zeigen.



gleich zu Beginn fällt eine Pflanze auf,
die trotz ihres Namens auch im Jura
anzutreffen ist: der Alpenrachen (Tozzia alpina)
er ist ein Halbschmarotzer, der über 
eine eigene Assimilation verfügt, jedoch
noch Nährstoffe von einer Wirtspflanze bezieht




da es noch relativ früh ist, befinden sich
einige Arten erst in den Knospen, so links
der Alpen-Milchlattich (Cicerbita alpina) und oben
die Klebrige Kratzdistel (Cirsium erisithales)



geheimnisvoll aus dem Waldesdunkel leuchtet
der Platanenblättrige Hahnenfuss (Ranunculus platanifolius)




immer wieder begleiten uns solche Weidemauern.....


wie auch Schmetterlige: C-Falter (Polygonia c-album).


Strauss-Glockenblume (Campanula thyrsoides)


Leberbalsam (Erinus alpinus)







der Ährige Ehrenpreis (Pseudolysimachion spicatum)
könnte leicht auch als Gartenpflanze durchgehen




auch Orchideen blühen hier,
so das Männertreu (Nigritella rhellicani)
und das Stattliche Knabenkraut 
(Orchis mascula).




wieder ein Alpenländer auf Abwegen:
Alpen-Lein (Linum alpinum)





keine Alpenrosen, sondern der Flaumige Seidelbast (Daphne cneorum).
Er ist sehr verbreitet hier und blüht immer wieder in einer Vielzahl kleiner Sträuchlein


die sonst im Jura auch Fluhröschen genannte Art
hat stark nach Nelken duftende Blüten....
und ist hier als rote Tupfer häufig auf den Matten
zu sehen, sonst in der Schweiz aber sehr selten anzutreffen.


Kugelorchis (Traunsteinera globosa)...

und Kugelblume (Globularia cordifolia)
sind einander nicht näher verwandt.




bei diesem Anblick traue ich meinen Augen nicht


denn was ich sehe, ist ein Massenvorkommen
des Ysopblättrigen Gliedkrauts
(Sideritis hyssopifolia)




die für den Jura ganz besondere Art wird
von den Kühen offenbar nicht gefressen




Echte Mondraute (Botrychium lunaria)



Färber-Ginster (Genista tinctoria)





Akeleiblättrige Wiesenraute (Thalictrum
aquilegifolium) wieder mit dem Alpenrachen
zu ihren Füssen









nochmals zwei Orchideen-Arten:
Langspornige Handwurz (Gymnadenia conopsea)
und die Hohlzunge (Coeloglossum viride)


das kann nur 
der Mittlere Wegerich (Plantago media)
sein!



die Foto gibt leider die Schönheit dieses Grases
nicht adäquat wider: Mittleres Zittergras (Briza media)



der Gelbe Enzian (Gentiana lutea)
ist hier weit verbreitet
der hier blüht aber merkwürdig


Moment, das ist ja das gefährdete...

Ganzblättrige Greiskraut
(Tephroseris integrifolia)!



der dicht behaarte Korbblütler ist in der Schweiz
auf den westlichsten Jura beschränkt
(diese beiden Fotos von Paul Hürlimann)



das Buch der Bücher ist die Natur, stets offen und einer Lektüre wert.
So nimm denn und lies!












Sonntag, 4. August 2024

in der Schweizer Arktis

Das Marais des Amburnex beherbergt den letzten Wuchsort des Moor-Steinbrechs (Saxifraga hirculus) in der Schweiz und eines der letzten grossen Refugien dieser Art in Europa! Das Moor in der Combe des Amburnex ist ein Mosaik von unterschiedlichen Milieux mit saurem und basischem Untergrund, die sich auch gegenseitig durchdringen. Entsprechend findet sich hier eine erstaunliche Artenfülle.

Der Moor-Steinbrech (Saxifraga hirculus) trägt den Namen eines Ziegenböckleins im wissenschaftlichen Namen (von lat. hircus: Ziegenbock). Nach Genaust (Etymologisches Wörterbuch der botanischen Pflanzennamen, 1996) bezieht sich dies auf die zwei hörnchenförmigen Griffel, die auch auf der Frucht gut erkennbar sind. Einen einschlägigen Geruch konnte der Blumenwanderer jedenfalls nicht feststellen, nachdem er kürzlich die lange Anfahrt auf den Col du Marchairuz unter die Räder genommen und die eher unscheinbare Art nebenan in der Combe des Amburnex gefunden hatte.

Im wissenschaftlichen Sinne entdeckt wurde die Combe des Amburnex durch Samuel Aubert (1871 – 1955), welcher 1901 zum Thema “La flore de la Vallée de Joux” an der Universität Zürich promoviert hat. Es dürften sich um die ältesten systematischen Untersuchungen von Kaltluftseen in der Schweiz handeln. Die tiefsten bisher recherchierten Werte in der Combe werden mit -42 °C im Januar 1942 (Lüdi, 1952) und zwischen -45 °C und -47 °C im Januar 1985 (Bloesch, Capt & Aubert, 1994) angegeben. Und so findet der Moor-Steinbrech als arktische Art hier sein ideales Milieu, denn er ist ein klassisches Eiszeitrelikt. Alles andere als eiszeitlich mutete den Blumenwanderer indes die hochsommerliche Hitze bei seinem Besuch dieses magischen Moors an.


auf der Passhöhe angelangt, mache ich einen Zwischenstopp...


und bewundere die Blumenfülle, wie hier
das prächtige Breitblättrige Laserkraut
(Laserpitium latifolium)
ebenso formschön
die Kleb-Kratzdistel (Cirsium erisithales)
mit ihren drüsig-klebrigen Blüten



ebenso in Vollblüte steht gerade...
der schöne Sumpf-Pippau (Crepis paludosa).


Rautenblättrige Glockenblume
(Campanula rhomboidalis)


ein wenig überall findet sich in der Umgebung
auch dieses Blühwunder: der Flaumige Seidelbast
(Daphne cneorum), doch das war im Juni,
wovon der nächste Beitrag handeln wird


eine chinesische Mauer en miniature teilt das Tal....

auf der anderen Seite des Passes. Andächtig begebe ich mich
zur stillen Combe mit ihrem geheimnissvollen Moor.
Es liegt in einem abflusslosen Hochtal der vordersten Jurakette. 
bei der Combe des Amburnex handelt es sich um ein Synklinaltal
(Tal im nach unten gerichteten Teil einer Falte), welches nach
der letzten Eiszeit im Bereich der Sèche des Amburnex
durch einen flachen See verfüllt war
was wächst denn da an ihrem Rand für ein goldener Hahnenfuss?



von wegen Hahnenfuss: es ist der seltene Steinbrech
mit den roten Pünktchen auf den Blütenblättern:
Moor-Steinbrech (Saxifraga hirculus)




wo er wächst, findet sich auch zahlreich
eine meiner Lieblingsarten:
Sumpfenzian (Swertia perennis)


die Fleischrote Fingerwurz (Dactylorhiza
incarnata) blüht noch ganz knapp


auch eine typische Moorart ist
das Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris)
aus einer bei uns mit nur ganz wenigen Arten vertretenen
Familie, den Spindelbaumgewächsen (Celastraceae)


Teufelsabbiss (Succisa pratensis)


hier oben gibt es auch schöne Bestände
der Prachtnelke (Dianthus superbus)



Sumpf-Weidenröschen
(Epilobium palustre)


eine Spezialität des Gebiets ist auch
das Knotige Mastkraut (Sagina nodosa)






die Bestände dieses kleinen Nelkengewächses 
sind in der Schweiz stark zurückgegangen, sodass es 
mittlerweile als stark gefährdet gilt. Hier kommt es
aber noch in grösseren Gruppen vor.



nicht satt sehen kann ich mich am
aufblühenden Sumpfenzian
er wird auch Blauer Tarant genannt



nicht fehlen darf hier natürlich
das Blutauge (Comarum palustre)


Vivent la Liberté et la Patrie!





der Schluss gehört aber natürlich den Stars des Tages!