Dienstag, 1. Juli 2025

der Herr der tausend Kräuter....

wurde Hans Zaugg auch schon genannt. Er wohnt im bernischen (!) Oberaargau auf dem Liemberg, der sich auf 740 m ü. M. oberhalb des Dorfes Rohrbachgraben befindet. Ein enges, kurvenreiches Strässchen führt den steilen Hang hinauf, bis man sich auf einmal in einer ganz anderen Welt befindet.

Hans hat autodidaktisch eine ganz besondere Expertise erworben, nämlich Wildpflanzen anzuziehen und zu kultivieren, die häufig spezielle Standort-und Kulturbedingungen erfordern. Er versteht es auch, seltene Arten in seine Obhut zu nehmen, zu pflegen und erfolgreich zu vermehren. Er hat zudem extrem seltene Arten in seinem Garten und kann all seine Schützlinge korrekt benennen.

Aber seine Beziehung zu Pflanzen geht darüber hinaus. Er sagt: "Es sind nicht nur Menschen, die die Pflanzen suchen, auch die Pflanzen suchen sich ihre Menschen. Und wenn wir dann für diese Pflanzen sorgen, sorgen sie auch für uns." Dass er daneben noch einen Bauernbetrieb führte, Holzer war, einen grossen Obstgarten hat und eine Imkerei betreibt, sei nur nebenbei erwähnt. Man fragt sich, wie der bescheidene Mann das alles unter einen Hut bringen konnte und seit fast dreissig Jahren seinen botanischen Garten pflegt. Einstweilen bleiben nur „Luege, lose, stuune." Hier ein paar Impressionen von seinem Lebenswerk.

vom Strässchen aus sieht man
den alten Bauernhof
um den alten Briefkasten herum wächst
die Kartoffelrose (Rosa rugosa)

die aus Ostasien stammende, ungefüllte Art...


zeichnet sich durch lange, ganzrandige Kelchblätter aus.


schon vom Strässchen aus sieht man die Anlage dieses einmaligen Gartens
alle Arten sind feinsäuberlich mit Schildchen versehen
bald ist auch schon der über 80 Jahre alte Hans
zur Stelle, der grad vom Samenernten kommt

oberhalb der Zierpflanzen ist auch ein
Heilpflanzen-Garten angelegt


eines der Wunder fällt mir gleich auf:
eine Schlangenwurz (Dracunculus vulgaris).
Die früher im Tessin vorkommende Art
ist heute in der Schweiz ausgestorben.
sie gehört zu den größten und während
der Blütezeit auffälligsten europäischen Arten
innerhalb der Familie der Aronstabgewächse



der Riesen-Schuppenkopf (Cephalaria gigantea) stammt
aus Osteuropa und gehört wie unser Alpen-Schuppenkopf
in die ca. 65 Arten umfassende Gattung Cephalaria



ein Blühwunder sondergleichen ist
das aus Südosteuropa stammende
Grosse Rindsauge (Telekia speciosa)



auch so eine prächtige Solitärstaude:
der Echte Alant (Inula helenium)


ein paar Beispiele von Raritäten:
der Saat-Hohlzahn (Galeopsis segetum)...
und der Acker-Waldmeister (Asperula arvensis)
sind zwei Ackerbegleiter,
die bei uns nahezu ausgestorben sind.

obwohl die Schweiz nicht in ihrem mediterranen
 Verbreitungsgebiet liegt, kommt die Wein-Raute
 (Ruta graveolens) bei uns auch wild vor.
Sie ist eine alte Gewürzpflanze.


im Garten gibt es auch so manche Art,
die ich noch nie gesehen habe, so hier...
die Deutsche Hundszunge (Cynoglossum
germanicum), die im Jura vorkommt.

einfach nur schön ist
der Natterkopf (Echium vulgare)


habe ich sonst auch noch nie gesehen:
die Gewürzdolde (Sison amomum)



aus dem Garten auf eine nahe Wiese entwichen ist
die Echte Ochsenzunge (Anchusa officinalis).
Das Art-Epitheton officinalis zeigt an, dass eine Art
früher zu Heilzwecken verwendet wurde.


die Kuhnelke (Vaccaria hispanica) ist eine der
extremsten Arten bezüglich Rückgang in der CH


wie liebe ich doch den Geruch
der Muskateller-Salbei (Salvia sclarea)!




eine unserer giftigsten Pflanzen:
der Gefleckte Schierling (Conium maculatum)

wichtige Leitmerkmale zur Vermeidung von Vergiftungen
sind ein intensiver Geruch nach Mäuse-Urin. Die runden,
 hohlen Stängel sind kahl, längs gerippt und – ähnlich wie
reife Pflaumen – von einer Art blauem Reif überhaucht
und im unteren Teil rot gefleckt.


eine Erinnerung daran, dass Hans neben seinem Hauptberuf als Landwirt
auch Holzer war: "Wedelen" (alemannisch für Reisigbündel)




die Eselsdistel (Onopordum acanthium) wird über 2 Meter hoch
und gilt in der Schweiz als gefährdet 


Blick in den Kräutergarten

der aromatisch riechende 
Kalmus (Acorus calamus)



Knospe der Muskateller-Salbei (Salvia sclarea)



das seltene Schöne Johanniskraut
(Hypericum pulchrum)


das Benediktenkraut (Centaurea benedicta)
aus dem Mittelmeergebiet ist aufgrund
seiner Bitterstoffe ein Heilkraut



nur am Vormittag blühte
die Wegwarte (Cichorium intybus)


die Tollkirsche (Atropa belladonna) 
ist ein giftiges Nachtschattengewächs




die seltene Aufrechte Waldrebe (Clematis recta)
  unterscheidet sich von der häufigen Waldrebe
 unter anderem durch den nicht kletternden,
sondern aufrechten Wuchs


die Weisse Zaunrübe (Bryonia alba)
steht in der Schweiz kurz vor dem Aussterben































Montag, 23. Juni 2025

Was wir lieben

Statt in die Höhe, können wir auch in die Tiefe gehen, um uns an Hitzetagen abzukühlen. So stieg der Blumenwanderer letztens hinab in die Schlucht der Rotache und unternahm eine erfrischende Flusswanderung, was aber nicht ganz einfach war, da es so manches Hindernis zu überwinden galt.

Die Rotache, ein typisches Hochplateauflüsschen, entspringt an den waldigen Nordhängen der Honegg, wobei es in der Folge verschiedene Bäche aufnimmt, die seinem Wasser eine eigene warm-bräunliche Färbung geben. Durch eine tiefe Nagelfluh- und Sandsteinschlucht frisst sich das Flüsschen zu Tale, um zwischen Uttigen und Kiesen in die Aare zu münden. An dieser Einmündungsstelle ist die rötliche Farbe des Rotachenwassers gegenüber den blaugrünen Wellen der Aare besonders deutlich.

Die "Roteche" ist ein kleines Juwel hinter der Stadt Thun. Im Kanton Bern gibt es so einige mystische Orte. Dazu gehört für den Blumenwanderer die Rotacheschlucht, die er seit der Kindheit oft aufgesucht hat. Das zugehörige Flüsschen ist speziell: mal verspielt vor sich hin plätschernd, mal abenteuerlich auftretend. Der Name meint „Rotes Wasser“, denn Ache stammt ab von althochdeutsch aha ‚Fließgewässer‘, urgermanisch *ahwō, Das Wort ist urverwandt mit dem lateinischen aqua.


die Schlucht von oben gesehen von einer Kälberkropf-Matte aus:
Chaerophyllum hirsutum
der Wanderweg führt uns steil hinab zu einem Steg,
wo wir ins Wasser steigen...


und schon umfängt uns eine wildromantische Szenerie.


der Blumenwanderer würde seinem Namen 
nicht gerecht, würde er nicht auch hier unten
die Flora würdigen
eine diskrete Art der Auenwälder ist der
Berg-Ehrenpreis (Veronica montana)

und gleich oberhalb des Ehrenpreises
kommt der nächste Spezialist in Sicht


wenn es ein Epizentrum für diese seltene Art gibt, 
dann liegt es an der Rotache: das Gegenblättrige Milzkraut
(Chrysosplenium oppositifolium) wächst z.B. hier
zu Tausenden an einem Seitenbach


hier sind beide Arten gezeigt: links das viel häufigere
Wechselblättrige Milzkraut (Ch. alternifolium),
rechts das Gegenblättrige
 dieses kommt typischerweise an schattigen, feuchten Stellen
und wie hier an Flussrändern vor, wo es ganze Rasen bildet


hier ist auch das Reich der Farne:
links Grünstieliger Streifenfarn (Asplenium viride)
und oben Gelappter Schildfarn (Polystichum aculeatum)


überall sieht man auch Lebermoose

hierher passt auch eine sehr seltene Sauergrasart,
deren Horste aussehen wie Nadelkissen
Borstige Moorbinse (Isolepis setacea)


Bach-Steinbrech (Saxifraga aizoides)
weiter geht die Flusswanderung, wobei ich in meinen
alten Wanderschuhen ein Dauerfussbad habe.
Doch da das Rotachenwasser gegen Rheumatismen
und andere Leiden heilsam sein soll, macht es nichts!


solche Senken laden zum Bade ein. Noch ist das Wasser etwas kühl,
aber man gewöhnt sich schnell daran!

der Wald-Geissbart (Aruncus dioicus)
ist eine Augenweide


immer wieder ergiessen sich Seitenbäche 
als kleine Wasserfälle in die Schlucht


was leuchtet dort oben Rötliches in der Nagelfluhwand?

es ist doch tatsächlich das Juwel der Schlucht:
der seltene Kies-Steinbrech (Saxifraga mutata),
der hier an feuchten Nagelfluh-Felsen wächst
der Kies-Steinbrech bevorzugt Stellen nahe am  Wasser.
Wenn hier auch noch eine tropische Orchidee herabhienge,
würde mich das nicht erstaunen.
die schönen orangefarbenen Blüten dieser Art

hier sieht man gut, dass sich die Rosette 
während der Blüte verausgabt und danach abstirbt
die Art scheidet über ihren Blattrand Kalk aus,
was eine Anpassung an stark kalkhaltiges Substrat ist. Die Pflanzen nehmen den im Bodenwasser gelösten Kalk mit den Wurzeln auf und sondern die Überschüsse am Blattrand aktiv ab.



der Goldglänzende Laufkäfer (Carabus auronitens)
lebt in feuchten Laubwäldern


immer wieder sehe ich fruchtend
die Fingerblättrige Zahnwurz (Cardamine pentaphyllos)


wo die Seitenbäche münden, lagert sich
der Kalk oft in solchen Sinterkegeln ab

nun werden die Seitenwände höher,
und wir betreten einen richtigen Canyon



ich kann mich nicht sattsehen an dieser Urlandschaft

dazu die Naturgeräusche
und die angenehme Kühle des Wassers,
aber all die umgestürzten Bäume, na ja.

bei dieser Hitze geniesst man die Schattentour

hier soll sich eines der hiesigen 
Täuferverstecke befunden haben


ein wilder Felsenzirkus, auch Hexenkessel genannt,
 hält mein Fortkommen auf


im Hintergrund stürzt sich die Rotache
durch eine Stromschnelle hinab
Wasser von oben und unten sorgt für Kühlung.
Irgendwie fühlt es sich hier an wie das Ende der Welt.


hier wächst auch eine ganz besondere Pflanze,
die unten auf grossem Fusse steht, ...

 oben aber schön blüht:
das Drüsige Springkraut (Impatiens glandulifera).
Die Art aus dem Himalaya hat es also auch
bis ans End der Welt geschafft: Chapeau!





bei der Rückkehr vergoldet das Abendlicht
die Schluchtvegetation




das namensgebende rote Wasser






die Gegend hier ist durch Erosion
und eine grosse Dynamik geprägt




Breitblättrige Fingerwurz
(Dactylorhiza majalis)

diese Aufnahmen entstanden schon einen Monat
früher an den Ufern der Rotache, wo es auch
Frauenschuhe (Cypripedium calceolus) gibt




diese einsame Diva hat mich erstaunt
Purpur-Knabenkraut (Orchis purpurea)