Als Beginn des Eisenbahnverkehrs wird gemeinhin die Eröffnung der Strecke Liverpool-Manchester am 15.9.1830 angesehen. Die erste kontinentale Eisenbahnstrecke wurde 1835 zwischen Brüssel und Mechelen eröffnet, die erste deutsche Strecke Ende desselben Jahres von Nürnberg nach Fürth. Schon wenige Jahre später wurden die ersten Hinweise auf Funde von Pflanzenarten entlang von Eisenbahnlinien publiziert, etwa 50 Jahre später bereits eine Veröffentlichung mit einem so wegweisenden Titel wie „Die Eisenbahn als Verbreitungsmittel der Pflanzen…“ (Holler, 1883).
Bahnhöfe und andere Betriebsflächen der Bahn gehören in Mitteleuropa längst zu den artenreichsten Habitaten, die wir kennen. Allein in Deutschland wurden auf Bahnhöfen mehr als 1000 Pflanzenarten wildwachsend angetroffen (Brandes, 2005). Gerade großstädtische Bahnhofsareale haben derzeit wichtige Refugialfunktionen, die sie jedoch vermutlich bald verlieren werden. Änderungen im Transportwesen führen zum Rückgang ihrer geobotanischen Bedeutung; im Verhältnis zu den Eisenbahnanlagen übernehmen Autobahnen zunehmend Funktionen in der Ausbreitung von Pflanzenarten sowie als Wuchsort von Adventiv- und Ruderalpflanzen.
Bei einem Aufenthalt auf dem Bahnhof Brig lernte der Blumenwanderer diesen als Hotspot besonderer Arten kennen, wie die folgenden Bilder zeigen. Vorher werden aber noch einige spezielle Pflanzen-Beispiele von anderen Bahnhöfen gezeigt. Sollten sie nicht gefeiert werden für ihre unverwüstliche und resiliente Art, auch die unwirtlichsten Ort zu besiedeln und zu zieren?!
nicht schlecht staune ich, als ich am Bahnhof von Kerzers... |
vor einem grossen Bestand des Schabenkrautes (Verbascum blattaria) stehe. |
die gelegentlich auch weiss blühende Art... |
wurde früher oft zum Vertreiben der gefürchteten Schaben verwendet. |
der Bahnhof von Le Lieu überrascht ungewöhlicherweise.... |
mit einem grösseren Vorkommen des Jura-Leinkrauts (Linaria alpina ssp. petraea). |
darauf wird von der Bahn Rücksicht genommen. Ich begab mich auch nur deshalb aufs Geleis, weil dieses nicht mehr benutzt wird, |
und fand so auch das Klebrige Greiskraut (Senecio viscosus). |
beim Bahnhof von Vallorbe finden sich am Bahndamm auch Orchideen, so das Helm-Knabenkraut (Orchis militaris) |
und der Ohnsporn (Aceras anthropophorum) |
die grosse Attraktion hier ist eine Population des ansonsten westmediterran verbreiteten Niederliegenden Leinkrauts (Linaria supina) |
wer hätte es gedacht, dass auch.... |
das hübsche Rosmarin-Weidenröschen (Epilobium dodonaei) Bahnhöfe liebt! |
unweit voneinander wachsen hier zwei hochwüchsige Beispiele dessen, was man so alles an Geleisen findet |
auf einem Bahnhof im Wallis finde ich abundant diese Art: die Zarte Gliederschote (Chorispora tenella), eine schöne Migrantin aus Südosteuropa... |
und das Mauer-Felsenblümchen (Draba muralis). |
am Bahnhof Brig angelangt, frage ich mich schliesslich, was da für ein Aschenputtel sein Dasein fristet |
unglaublicherweise ist das hier das Grosse Knorpelkraut (Polycnemum majus) |
das stark gefährdete Fuchsschwanzgewächs wächst hier aus kleinsten Ritzen im Asphalt |
wie auch der gefährdete... |
Drüsige Gänsefuss (Chenopodium botrys). Man fragt sich schon, wie solche ansonsten sehr seltene Arten sich an diesen unwirtlichen Orten ansiedeln konnten. |
ist es die Abwesenheit von Konkurrenz, die an solch ariden Orten die Ausbreitung von Arten begünstigt, die als Pioniere angesehen werden könnten? |
es grenzt an ein Wunder, dass diese Pflanzen mit ihren intensiv nach Kiefernharz... |
riechenden Blättern hier aus jeder noch so kleinen Ritze wachsen. |
in solchen Bahnhöfen gibt es wohl die letzten wirklichen Ruderalflächen bei uns |
hier zwei adventive Arten, denen es an warmen, Orten gut gefällt, beide aus Amerika: Hingestreckte Wolfsmilch (Euphorbia prostrata) |
Gefleckte Wolfsmilch (Euphorbia maculata) |
hier ein weiterer Vertreter der Bahnhof-Liebhaber: Klebriges Greiskraut (Senecio viscosus) |
auch er liebt trockene, steinige Orte |
der Stinkende Pippau (Crepis foetida) mit seinem Karbolgeruch, hier sogar mal blühend |
fast nicht mehr zu erkennen ist dagegen der Sand-Mohn (Papaver argemone), da auch er nur am Morgen schön blüht |
unscheinbar und vielerorts übersehen ist dieses Nelkengewächs, welches ich... |
hiermit zum ersten Mal sehe: das Behaarte Bruchkraut (Herniaria hirsuta). |
den Sicherheitsabstand aber definitiv überschritten haben diese Exemplare |
sie wachsen ausserhalb des Perrons und trotzen Hitze und Trockenheit |
zum Schluss noch ein Steppenroller neben den Geleisen: das Kali-Salzkraut (Salsola tragus) ist wohl grad aus den Steppen Osteuropas zu uns gerollt ;-) |