Mittwoch, 27. März 2019

Genfer Preziosen

"Dasch e sturme Gämfer" (berndeutsch für: dies ist ein zerstreuter Genfer) war in der Kindheit des Blumenwanderes eine manchmal gehörte Redensart für einen Menschen, der etwas unentschlossen, fahrig und chaotisch handelt. Offenbar wurden die Romands ihrer legeren Art wegen als unzuverlässig und unordentlich empfunden.
Ob dem heute noch so ist, bezweifelt der Blumenwanderer. Was er aber sicher weiss, ist, dass er selbst im Vorfrühling ganz "sturm" wird, wenn im fernen Genf die seltenen Frühblüher auftauchen. Einmal mehr erwies dieser kleine Kanton seine Grösse in naturkundlicher Hinsicht:



an einem Abhang über der Rhone fand der "sturme Gämfer"
diese interessanten mediterranen Pflanzen:
Hundszahnlilien (Erythronium dens-canis)


die irgendwie surreal anmutende südeuropäische Pflanze.... 

hat es in der Schweiz natürlicherweise nur bis nach Genf
und ins Südtessin geschafft.

speziell sind die violetten Staubbeutel dieser Art.
Besten Dank an Paul Hürlimann für diese Makroaufnahmen!
eine Biene mit violetten Höschen!

hier befindet sich einer der wenigen natürlichen Standorte
dieses Liliengewächses im Kanton Genf. Berührend, es an
einem solch wilden Ort zu finden, wo es seit Jahrhunderten,
wenn nicht Jahrtausenden jeden Vorfrühling erblüht! 



auch ein paar andere Blumen blühen jetzt schon im Wald:
Stängellose Schlüsselblume (Primula acaulis)



Berg-Lungenkraut (Pulmonaria montana cf.)


Zweiblättriger Blaustern (Scilla bifolia)


der Schwarzdorn (Prunus spinosa) verströmt
seine betörenden Duftwolken!



diese Rote-Liste-Art kommt hier in einem Rebberg recht
zahlreich vor: Acker-Ringelblumen (Calendula arvensis)....

hier zusammen mit Trommelschlegeli und Katzenäugli
ein Blumengärtli bildend



eine Ueberraschung war diese in der Schweiz seltene mediterrane
Orchideen-Art, die ausschliesslich bei Genf angetroffen werden kann:
es ist die Mastorchis (Himantoglossum robertianum)


sie war gerade am Aufblühen


Wildschweine (oder Dachse?) gruben hier zwei Rosetten an,
wodurch die typische Knolle dieser grosswüchsigen Art sichtbar war





Scharbockskraut (Ranunculus ficaria)


erstmals eindeutig bestimmt: Rötliches Hirtentäschel
(Capsella rubella) mit filigraner Rosette und....

kurzem Blütenstängelchen. Die Kelchblätter sind rötlich
und werden nur wenig von den Blütenblättern überragt





im ländlichen Genf gibt es nicht nur traditionelle Steinhäuser
mit Torbogen, sondern auch solch futuristische Liegenschaften

ein Phänomen ist dieser Baum, der durch
einen Eisenzaun hindurchgewachsen ist!






die Stammbasis dieses Baums liess sich weder
von Eisen noch Asphalt vom Wachstum aufhalten.
Ueberwallung nennt sich das Phänomen.


gleich daneben eine verwunschene
Hagebuchen-Allee (Carpinus betulus)


klar umgrenzt bildete das Muschelblümchen (Isopyrum thalictroides)
hier bei Carouge einen grünen Teppich auf dem braunen Waldboden.
Dieser Standort gilt als ursprünglich für diese seltene Art.


leider blühten die Pflanzen noch nicht, ...

sondern befanden sich erst in den Knospen. Doch auch
verkapselte Blüten haben ihren geheimnisvollen Reiz.
Diese und die folgende Aufnahme verdanke ich
Paul Hürlimann.
auch das seltene Weisse Fingerkraut (Potentilla alba)
entfaltete erst gerade seine schönen Blätter



ganz im Gegensatz zu dieser Art:
Lorbeer-Seidelbast (Daphne laureola) in Vollblüte!




botanisch gesehen sind hier vier gelblich-grüne Kelchblätter
zu einer Röhre verwachsen. Kronblätter sind keine vorhanden.






Samstag, 23. März 2019

die Kuhschelle

Wenn die meisten Pflanzen praktisch noch im Winterschlaf verharren, zeigen sich auf wenigen Magerwiesen z.B. im Aargauer Jura eng an den Boden geschmiegte, violette Pelzdinger zwischen den braunen Pflanzenresten des Vorjahres. Es handelt sich dabei um die Gemeine Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris) aka Küchenschelle.
Diese ursprüngliche Steppenpflanze hat sich nach dem Rückzug der Gletscher unter noch trockenen, aber zunehmend wärmeren Klimabedingungen bei uns wohl gefühlt. Im Laufe der Jahrtausende haben wechselnde Landnutzungen, neue Bewirtschaftungstechniken und klimatische Veränderungen die Lebensbedingungen für diese Art in Mitteleuropa erschwert. Heute gilt sie in der Schweiz als stark gefährdet. Sie kommt nur noch an wenigen Stellen vor und gilt als Relikt aus früheren Zeiten.


hier ist gut der Unterschied zwischen der Fettwiese im Talgrund
und der Magerwiese zu sehen.
Fast ist man versucht zu frotzeln: unten nix, oben fix

so sehen momentan die Juraweiden aus

Rot-Buche (Fagus sylvatica) u.v.a.m.


ein Zitronenfalter hat die ersten Veilchen entdeckt!

Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis)

kein Bärlauch,
sondern (giftige!) Herbst-Zeitlosen (Colchicum autumnale)

die Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris)....

hat es so eilig, dass sie fast ihre Blätter zu vergessen scheint.
Diese kommen erst, wenn die Blütentriebe schon am Verblühen sind. 




Die Kuhschelle nutzt Licht und Wärme, bevor die anderen
Wiesenpflanzen erwachen und ihnen den Platz streitig machen könnten


sie hier zeigt, wie man auch ohne viel Farbe auffallen kann:
Stinkende Nieswurz (Helleborus foetidus)


Mandelblättrige Wolfsmilch (Euphorbia amygdaloides)





so unterschiedlich blühen Gehölze:
Kornelkirsche (Cornus mas) und .....

Schwarzkätzchen-Weide
(Salix gracilistyla var. melanostachys)




Die Kuhschellen haben ihren oberirdischen Blüh- und
Wachstumszyklus abgeschlossen, 
wenn die Gräser und anderen Kräuter austreiben

 dies gelingt ihnen nur, weil sie ausschliesslich 
in mikroklimatisch günstigen, warmen Lagen 
und auf mageren Böden wachsen


schöner könnte das Berg-Täschelkraut (Thlaspi montanum) nicht blühen!

diese Feldgrille sonnte sich neben einer Buchecker.
Zu sehen ist auch die rote Schenkel-Innenseite dieses Männchens.


 Die günstigen Wasservorräte,  ... 

wie sie im Frühjahr in den eurasischen Steppen herrschen,
dem Ursprungsgebiet der Pulsatillen-Gattung,
haben diese Pflanzen ebenfalls zu „Frühaufstehern“ erzogen






das attraktive Aussehen und das frühe Blühen
wurde diesen Pflanzen zuweilen zum Verhängnis

denn an gewissen Orten begnügten sich die Leute nicht, sie auf Frühlingsspaziergängen zu geniessen, sondern haben sie häufig
gleich auch noch ausgegraben und in ihren Garten verpflanzt,
wo sie dann eingegangen sind




ich beobachtete, wie diese Biene mehrmals von der Blüte abflog
und dann in Ermangelung eines Besseren wieder zurückkehrte,
um sich in den Staubblättern zu "suhlen"

ein Veilchen-Strauss und ....

ein Trockenblumen-Sträusschen von
Gewöhnlichen Golddisteln (Carlina vulgaris)

die Niedrige Segge (Carex humilis) ist wirklich noch niedrig

die Grösse dieser Blumen täuscht. Sie befinden sich im Millimeterbereich:
Lenzblümchen (Erophila verna) 

fast surreal wirkte dieser von Sonnenwend-Wolfsmilch
(Euphorbia helioscopia) übersäte Hang

derweil bescheiden am Wegesrand
die Acker-Taubnesseln (Lamium purpureum) grüssten

das Gegenlicht offenbart die starke Behaarung
dieser bereits abgeblühten Pulsatillen





auch die ersten Goldschlüsseli (Primula veris) sind schon da!


Klartext