Dienstag, 9. April 2024

The Drunken Botanist....

ist der Titel eines Buchs, dessen Kredo lautet: Every great drink starts with a plant. Dass das wahr ist, kann der Blumenwanderer bezeugen, nur dass seine Räuschlein eigentlich nicht mit einem Drink beginnen, wohl aber - wie könnte es anders sein - mit den Blumen im Vorfrühling. Und das ultimative Shangri-La in dieser Hinsicht sind immer noch die Walliser Follatères, wo es dieses Jahr früh wie noch nie grünte und blühte.

Und trunken kann man in der Tat werden in diesem Botanist's Paradise, wo man auf Schritt und Tritt neuen Arten begegnet, die Nachtigallen schon zwitschern und einen angenehme Gerüche umwehen. Ein idealer Rückzugsort vom bösen Weltgeschehen sozusagen. Zudem ungewöhnlich warm für Anfang April mit Temperauren von fast 30 Grad und Sandstaub aus der Sahara am gelben Himmel.

Dem Naturfreund braucht man die Follatères nicht mehr vorzustellen: eine der helvetischen Hochburgen der Botanik, der Ornithologie und Entomologie, die es wohl verdient, im Inventar der Landschaften von nationaler Bedeutung zu sein. Wobei zu sagen ist, dass sich der Blumenwanderer sicherheitshalber jeweils auf die Botanik beschränkt, die auch diesmal genug Stoff lieferte für einen Schwips und einen neuen Beitrag.


der Saharastaub lässt die Landschaft in einem ganz anderen Licht erscheinen
und so "grüsst das Bietschi" für einmal nicht im Hintergrund




für die Pflanzenwelt bedeutet er mineralischen Dünger


an der Spitze des Blütenstandes der Schopfigen
 Traubenhyazinthe (Muscari comosum) befindet sich
ein auffälliger Schopf zahlreicher blauvioletter,
 aufwärtsgerichteter, steriler Blüten.
 Darunter sind die blassbraunen, oft etwas grünlichen
fertilen Blüten angeordnet.




eine der typischen Arten der Region ist
das Blasenschötchen (Alyssoides utriculata)


fast schon massenhaft sehe ich dieses Jahr
in den Rebbergen und auch sonst die
Kugelsamige Platterbse (Lathyrus sphaericus)


links und rechts ist dieselbe Art zu sehen,
nur das sie rechts von einem Pilz infiziert ist:
Zypressenwolfsmilch (Euphorbia cyparissias)




es ist Iriszeit! Hier mit der
Deutschen Schwertlilie (Iris xgermanica)



bei diesem zarten Pflänzli auf kargem
Boden muss ich eine Weile rätseln,
aber es entpuppt sich schliesslich
als mein "Catch of the Day"
der Schlupfsame (Crupina vulgaris)
wurde im Gebiet seit 1987 nicht mehr
gemeldet. Wer hätte gedacht, dass
er ungeteilte Grundblätter hat!


6 Orchideenarten blühen schon! Hier
das Kleine Knabenkraut (Orchis morio)


oben ist es in drei Blühstadien zu sehen:
Vollblüte, aufblühend und knospend




das Holunder-Knabenkraut
(Dactylorhiza sambucina)...

existiert in zwei Farbvarianten.


Ohnsporn (Aceras anthropophorum)
Männliches Knabenkraut (Orchis mascula)

Schwärzliches Knabenkraut
(Orchis ustulata)
Blasses Knabenkraut (Orchis pallens)



nach der Parade der Divas diejenige 
des unscheinbaren Fussvolks, das
mir nicht weniger sympathisch ist


erstmals bewusst gesehen:
Frühlings-Ehrenpreis (Veronica verna)
mit winzigen himmelblauen Blütchen





in den Steppenrasen liegen jetzt zu Tausenden 
die rosa Sternchen der Ackerröte (Sherardia arvensis) umher

der Gelbe Günsel (Ajuga chamaepitys) ist dann schon weniger häufig


ein winziges Nägeli


der Einjährige Knäuel (Scleranthus annuus)





das unauffällige Piemonteser Kreuzlabkraut
(Cruciata pedemontana) steht in Vollblüte!


auch das ist ein Steinkraut, allerdings mit viel kleineren
Blüten als seine auffälligen Cousins:
Kelch-Steinkraut (Alyssum alyssoides)




einer meiner Lieblingsarten ist der
Genfer Günsel (Ajuga genevensis)...
der hier eine Wuchshöhe von 
fast einem halben Meter erreicht!



diskreter, aber auch nicht gerade selten findet man
den Zwiebel-Steinbrech (Saxifraga bulbifera)



Blauer Lattich (Lactuca perennis)




Glatt-Brillenschötchen (Biscutella laevigata)





ein weiterer meiner hiesigen Favoriten,
die Kranzrade (Silene coronaria),
blüht noch nicht


Arizona?





Felsenbirne (Amelanchier ovalis)
Felsenkirsche (Prunus mahaleb)

weiter geht's mit den Weissblühern:
der erstaunlicherweise schon blühende
Breitsame (Orlaya grandiflora)
Acker-Steinsame (Buglossoides arvensis)



Hügel-Erdbeere (Fragaria viridis)

schon erstaunlich, so oft und so früh schon das
Schwärzliche Knabenkraut anzutreffen!




was ist denn mit diesem Knolligen
Hahnenfuss (Ranunculus bulbosus)
geschehen? Das Phänomen nennt
sich Verbänderung (Fasziation)

eine häufig anzutreffende Farnart hier ist der
Schwarzstielige Streifenfarn (Asplenium adiantum-nigrum)







unter obigem Gneisblock sieht man eine weitere Farnart:
Nordischer Streifenfarn (Asplenium septentrionale)

schaut man etwas tiefer darunter, offenbart sich zum Schluss noch dies:
der Nacktfarn (Anogramma leptophylla), ein schöner Schlusspunkt!














Samstag, 23. März 2024

Abstecher in die Schweizer Provence

Die buchsreichen Eichenwälder und die Trockenrasenfragmente am Waadtländer Jurasüdfuss bei La Sarraz sind ein beliebtes Ausflugsziel für Botaniker und Zoologen. In den 30er-Jahren gab es noch dreimal mehr Trockenrasenflächen als heute. Freiwillige von Pro Natura halten die übriggebliebenen Flächen heute offen. Im Sommer werden sie von Ziegen unterstützt.

Die Buis de Ferreyres dürfen auf keinen Fall zuwachsen, sind sie doch ein botanisches Paradies sondergleichen! Alleine landschaftlich besticht der offene Flaumeichenwald im Frühling mit seinem reichblühenden Unterwuchs. An vielen Stellen können so genannte “garrides”, offene Vegetationstypen auf dem sehr flachgründigen Boden gefunden werden. Die Buchshecken, welche die Trockenrasen umsäumen, erinnern vielerorts an eine Parklandschaft, “un paysage buccolique” wie wir sie allenfalls noch von Gemälden aus längst vergangenen Zeiten kennen.

Der Blumenwanderer als Liebhaber spezieller Lebensräume suchte das Gebiet im Vorfrühling auf: noch blühte nicht viel, die Farbtupfer waren spärlich und versteckten sich diskret im noch graubraunen Gras, erfreuten ihn aber umso mehr, als es sich oftmals um Raritäten handelte, nach denen man andernorts vergebens sucht.


zu Beginn verschlägt es den Blumenwanderer
indessen in diesen Märchenwald

ist das nun also der berühmte
Lorbeer-Urwald Makaronesiens?





nicht jedoch ist der Blumenwanderer
auf Madeira oder La Gomera!

erst nach einigem Werweissen stellt sich
das Dickicht als Buchs-Urwald heraus!





die natürlichen Buchsvorkommen am Jura-Südrand werden in der Botanik
als eine mediterrane Einstrahlung vom Rhonetal her aufgefasst

hoppala, jetzt geht's nicht mehr weiter...

erst nach Verlassen des Dickichts bemerke ich dieses Schild!
Da habe ich also eine Chance verpasst!



das unscheinbare Moschuskraut (Adoxa moschatellina)
blüht gerade am Wegrand



auf dem Anmarsch (wenn's erlaubt ist, diese militärische
 Vokabel hier überhaupt zu benutzen) angetroffen:
links Scharbockskraut (Ranunculus ficaria) und oben
Echtes Lungenkraut (Pulmonaria officinalis aggr.)

Behaartes Veilchen (Viola hirta cf.)

Busch-Windröschen (Anemone nemorosa)



Kleinblütiges Fingerkraut (Potentilla micrantha)

Weißes Veilchen (Viola alba)



zwischen Buchs, Berberitze, Wacholder und Flaumeichen
ist dem Blumenwanderer wohl

nur schon landschaftlich ist die Gegend ein Erlebnis
mit dem überall blühenden Cornouiller (Cornus mas)

aber was wuselt da so flaumig im dürren Gras?


da haben sich zwei gefunden!


es ist das Juwel der hiesigen Trockenrasen:
die Gemeine Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris)


sie blüht im zeitigen Frühjahr auf flachgründigen Böden
in den Lichtungen zwischen dem Buchsgebüsch



ich bin erstaunt, wieviel Knospen es davon noch hat


die ebenfalls zahlreichen Orchideen-Rosetten
versprechen Einiges für später

links Bocksriemenzunge (Himantoglossum hircinum)
und oben Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera cf.)




Männliches Knabenkraut (Orchis mascula cf.)
Ohnsporn (Aceras anthropophorum cf.)


und hier etwas Unscheinbares, das womöglich nur
 den unverbesserlichen Blumenwanderer interessiert:
es ist das Badener Rispengras (Poa badensis),
 eine anspruchsvolle Rarität,
die auf trocken-felsige Kalkstandorte beschränkt ist.





der Waldboden ist stellenweise blau vor lauter
Leberblümchen (Hepatica nobilis)



Kalk-Blaugras (Sesleria caerulea)
Finger-Segge (Carex digitata)






ein Grenzstein mitten im Wald,
immerhin mit botanischer Deko:
Efeu (Hedera helix)

und wieder setzt das Lungenkraut
einen Farbakzent


nun wird's wieder karger: erstaunlich, wie häufig
man hier den Trauben-Gamander (Teucrium botrys)
beobachten kann, wenn auch noch nicht blühend





und auf einmal stehe ich vor dieser Merveille:
Hundszahnlilien (Erythronium dens-canis)






auch der Buchs (Buxus sempervirens)
 blüht gerade


die knorrigen, ausgemergelten Eichen hier wären
ein Graus für jeden wirtschaftlich denkenden Förster




Stinkende Nieswurz (Helleborus foetidus)
zwischen den Flaumeichen blüht vereinzelt
der Schneeball-Ahorn (Acer opalus)






die Schatten werden länger; nochmals betrachte ich
die urtümliche Landschaft und verlasse das Wunderland

hinter mir schliesst sich das Gebüsch, aber ich komme wieder!